Eine Verhaftung im Namen der Willkür

„Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ 
Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

Der Internet-Aktivist Ola Bini sitzt seit zwei Wochen in einem ecuadorianischen Gefängnis. Er sei Teil eines Spionagenetzwerkes rund um Wikileaks. Seine Verteidiger sprechen von politischer Verfolgung und verlangen die sofortige Freilassung des Schweden.    

Quito. – Vor gut zwei Wochen hatte Ola Bini Japan im Kopf: Japan und Bujinkan, eine Organisation, die sich aus neun Kampfkunstschulen zusammensetzt und deren Geheimnis unter anderem darin besteht, die Grundlagen des inneren Friedens kennenzulernen. Seit Wochen schon hatte der in Ecuador wohnhafte Schwede die Reise nach Asien geplant, ja sie sogar auf Twitter angekündigt. Doch daraus sollte nichts werden. Ola Bini trug den schwedischen Pass und seine Boardingkarte bereits in der Hand, als er kurz vor Besteigen des Flugzeugs am Flughafen Mariscal Sucre in Quito von der Polizei festgenommen wurde – nur wenige Stunden nach der Verhaftung von Wikileaks-Gründer Julian Assange in London. Warum, weiss er bis heute nicht. 

Jetzt sitzt der 36-Jährige auf dem kalte Boden des Gefängnisses El Inca im Norden der Hauptstadt, einem der berüchtigsten Anstalten des Landes, lehnt sich an die Tür und liest im Buch Die Liebe in den Zeiten der Cólera von Gabriel Garcia Marquez. Auch existenzielle Fragen tauchen auf. “Was ist das Wichtigste im Leben“,  schreibt er etwa in einem Brief, der am Freitag von Freunden über Twitter veröffentlicht wurde. „Tust du das? Und wenn nicht, warum nicht?“ Die Glühbirnen an der Decke wurden rausgeschraubt, und der einzige Ort mit Licht ist der Eingangsbereich seiner Zelle. Nur dort sieht Ola Bini, was er liest und schreibt. „Vielleicht werde ich als Märtyrer, der von der Regierung Ecuadors entführt wurde, dazu dienen, Diskussionen anzuregen, Aufmerksamkeit zu erregen und neue Formen des Kampfes zu eröffnen. Vielleicht dient meine Haft dazu, einige Menschen aufzuwecken.“

Besorgt um Assanges Gesundheit 
Ola Bini, Anfang der 1980er Jahre in Göteborg geboren, lebt seit 2013 in Ecuador. Der Software-Entwickler und Internetaktivist hatte jahrelang für die US-Technologie-Firma Thoughtworks gearbeitet, bevor er vor einem Jahr die Non-Profit-Organisation Centro de Autonomia Digital (Zentrum für digitale Autonomie) in Quito mitgründete. „Wir glauben, dass die Privatsphäre ein Menschenrecht ist, das respektiert werden muss“, heisst es auf deren Homepage. „Daher arbeiten wir daran, dass dieses Menschenrecht in der digitalen Welt durchgesetzt werden kann.“
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Ola Bini nun genau diese Prinzipien verletzt haben soll. Das ecuadorianische Innenministerium bringt den Schweden nämlich mit Wikileaks in Verbindung und verdächtigt ihn der Spionage. Tatsächlich ist Ola Bini ein Freund von Wikileaks-Gründer Julian Assange, und hat diesen mehrmals in der ecuadorianischen Botschaft in London besucht. Doch sowohl sein Anwalt, als auch die Eltern Binis versichern, dass er nichts mit Wikileaks zu tun habe. „Er war zuletzt besorgt über die Gesundheits Assanges“, sagt Vater Dag Gustafsson im Gespräch. (…)

 

Illustration: #FreeOlaBini