Vergangene Woche wurde die USA 243 Jahre alt. Die Feierlichkeiten im kalifornischen Bakersfield belegten dabei vor allem eins: Das Land wird auch den aktuellen Präsidenten überleben.
8. Juli 2019 – Bakersfield, USA. – Eigentlich gibts ja nichts zu feiern. Die Gesellschaft der USA ist gespalten wie lange nicht mehr, dasselbe gilt für die Beziehung zwischen Parlament und Präsident. Dazu kommt der latente Streit zwischen dem Weissen Haus und den Regierungen dieser Welt, die tausenden Obdachlosen, die unglaubliche Menge Drogensüchtiger, die gelockerten Umweltstandarts, um Investoren anzuziehen und eine Migrationspolitik, die längst nicht mehr tragbar ist.
Aber die Vereinigten Staaten wären nicht die Vereinigten Staaten, wenn ihre BewohnerInnen sie nicht trotzdem feiern würden. Stolz steht über Selbstkritik. Und so trafen sie sich wie jedes Jahr zum 4. Juli, dem Tag der Unabhängigkeit von der britischen Krone, in einem der Parks ihrer Stadt, warfen Grill- und Sound-Anlage an und widmeten sich jenem Teil der Feierlichkeiten, der die USA hat dick werden lassen: dem Fastfood.
Ausgewaschene Tattoos
Auch Bakersfield war mit von der Partie. Die Kleinstadt mit 380’000 Einwohnern nordöstlich von Los Angeles liegt im trockenheissen San Joaquin-Tal. Hier leben die Frauen und Männer von der Agrarindustrie – Trauben, Zitronen, Mandeln, Baumwolle, Karotten – und dem Abbau von Erdöl. Zum 4. Juli gehts an den River Walk, einem Park mit künstlich angelegtem Bach und einer Lagune mit Fischen. Sie haben ihre Kühlboxen mitgebracht, ihre Zelte und Grillstationen, alles Super-Size, genauso wie die Würste, Rindsteaks, Chips, Süssgetränke und Stereo-Anlagen, die den Park bedröhnen: R’n’B, Soul, Black-Music.
Am Ufer der Lagune zanken sich zwei Enten, Jugendliche schwimmen auf die andere Seite und eine junge Familie badet ihren Erstling im seichten Wasser. Überhaupt fällt auf, wie viele Kinder zu gegen sind. Sie spielen mit Football- und Volleybällen, bekämpfen sich mit Plastikschwertern, inspizieren die Kleintiere in Ufernähe oder lernen laufen. Das Handy ist für einmal Nebensache. Die Mütter und Väter lachen, auch Tanten und Onkels sind gutgelaunt und die Kriegsveteranen, die zur gleichen Zeit an der Ostküste vom Präsidenten hochgejubelt werden, haben sich in einem Kreis zum Schwatzen zusammengesetzt. Ihre Körper tragen ausgewaschene Tattoos, Einzelnen fehlt ein Bein oder ein Arm.
In der Unabhängigkeitserklärung der USA von 1776 ist das Recht eines jeden Menschen auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück verankert. Heute siehts im River-Walk-Park zu Bakersfield danach aus, als ob dieses Recht wahrgenommen wird – oder besser: dieses Privileg.