Vor über fünfunddreissig Jahren fand Miguel Morejón Vallejo über einen Betrunkenen zu den Bienen. Heute nutzt er ihre Stachel zur Linderung von Schmerzen und zur Heilung von Gelenk- und Sehnenentzündungen. Er ist überzeugt: „Die Bienen sehen unsere Aura“.
10. Februar 2020, Cotogchoa, Ecuador. – Um jedes Sechseck lässt sich einen Kreis ziehen. Dieses Detail ist Miguel Morejón wichtig, wenn er vom Hexagon zu schwärmen beginnt – für ihn nichts weniger als „die perfekte Figur“. Sie besteht aus sechs gleichschenkligen Dreiecken und bildet jenes Sechseck, das die Bienenwabe bildet und von dem sich etwa die Architekten der Heiliggeist-Kirche in Berlin oder der Elisabethenkapelle des Inselspitals Bern inspirieren liessen.
Auf dem Landstück, das Miguel Morejón in einem kleinen Weiler südöstlich von Quito bewirtschaftet, findet sich das Hexagramm an allen Ecken. Es ziert eine der Wände seines kürzlich fertiggebauten Labors, es bildet die Geometrie für die Ablage des Brennholzes unter dem Vordach des Lehmhauses, ja selbst die Verstrebungen seines Garagentors wurden in Form von Hexagrammen verschweisst. Und wer vom Himmel aus auf seinen Gemüsegarten blickt, erkennt auch hier die Struktur der sechs Ecken. Darin wachsen derzeit Kohl und Mangold, verschiedene Salate sowie unzählige Heilkräuter. „Das ist unsere Apotheke“, sagt Miguel und deutet auf die Flor de Iso, im deutschsprachigen Raum besser bekannt als Blauer Natternkopf: „Der Nektar dieser Blume hat einen hohen Zuckergehalt und ist deshalb bei den Bienen sehr beliebt.“
Stramm in einer Linie ausgerichtet stehen neben dem Gemüsegarten über ein Dutzend Bienenstöcke, überdacht von einer Galerie und ausgelegt mit einem Weg aus Beton. Als deren Konstrukteur die knapp zwanzig Meter abgeschritten und das unendliche Summen zehntausender Bienen in seinen Körper aufgesogen hat, sagt er: „Da geschieht etwas mit deinem Körper. Das Summen zerlegt deine Gedanken y te quedas mas conectado.“
Alchimist und Zimmermann
Mehr verbunden sein – das war der Grund, weshalb Miguel Morejón Vallejo in den 1990er Jahren seinen Geburtsort Quito verlassen hatte und nach Cotogchoa gezogen war, aufs Land also, wo die Nachbarn Kühe halten und Mais pflanzen und wo sich nachts die Sterne blicken lassen. Heute fährt er nur noch für den Verkauf seiner Produkte in die Hauptstadt. Die restliche Zeit verbringt er hier oben am Hang, zusammen mit Freiwilligen, die auf einer aufgeschütteten Wiesenterrasse zelten. Miguel ist nicht nur Imker, sondern auch Zimmermann und Permakultor, Gärtner und Alchimist, Lebenskünstler und Autodidakt, Erfinder und Recycler, Lehrer und Lernender. (…)