Eliten sind Feuer und Flamme für den Fleischexport

Seit einem Monat brennt es im Amazonas-Regenwald. Während noch unklar ist, welche Auswirkungen die Katastrophe haben wird, ist eines sicher: Die Brände in Brasilien, Bolivien
und Paraguay dienen kurzfristig der Viehwirtschaft, der chinesischen Mittelschicht und dem Drogenhandel. 

2. September 2019. – Fünf Tage am Stück war Luis Pardo López nun in den Feuern rund um Chiquitina, im Südosten Boliviens. Der Besitzer einer Männerkonfektion in Cochabamba, Boliviens viertgrösster Stadt, ist einer von hunderten von Freiwilligen, die sich in den letzten Tagen im Andenstaat mobilisiert haben, um gegen die Waldbrände im Land vorzugehen. Weder wollten sie auf die Hilfe der Regierung warten noch vertrauen sie darauf, dass diese tatsächlich eintrifft. Schliesslich wüten die Feuer seit Anfang August, und es wurde kaum etwas dagegen unternommen. Trotz der Forderung der Zivilgesellschaft, endlich internationale Hilfe zuzulassen, hat dies die Regierung um Evo Morales bisher abgelehnt.
Dabei brennt es nicht nur im Amazonas-Regenwald, sondern auch im Gran Chaco, einer hunderte Quadratkilometer grossen Region mit verschiedenen Vegetationen, die sich von Argentinien über Paraguay bis nach Bolivien erstreckt. Chiquitina im Departament Santa Cruz, umgeben von der brasilianischen Grenze, ist Teil davon.

Feuer gelegt mit alten Autoreifen
Nach Angaben der bolivianischen Regierung sind inzwischen über 728.000 Hektare Land verbrannt worden. Das entspricht mehr als der Fläche des Kantons Graubünden. Doch die tatsächlichen Auswirkungen, sowohl lokal als auch planetarisch, dürften erst in ein paar Wochen ersichtlich werden. Denn noch immer sind viele Feuer nicht gelöscht. Einzelne brennen schon länger, andere sind neu hinzugekommen. „Das derzeitige Chaos“, erklärt Luis Pardo via WhatsApp, „wird genutzt, um weitere Brände zu legen.“ Der 33-Jährige, der zusammen mit seinen rund dreissig compañeros vor Ort ist, spricht von Feuern, die Mithilfe von alten Autoreifen und trockenen Baumstämmen angelegt worden seien; alle zwanzig bis fünfundzwanzig Meter hätten sie entsprechende Einrichtungen gefunden. „Wir müssen dieses Desaster an die Öffentlichkeit tragen“, sagt Pardo, müde vom Nachteinsatz. „Ich möchte, dass die Menschen wissen, was in meinem Land passiert.“

Das wollen auch andere in Bolivien, etwa die StudentInnen der Kommunikationswissenschaften der Universität Cochabamba. Viele von ihnen sind junge Mütter, die ihrer Kinder wegen nicht vor Ort fahren können. Deshalb haben sie wie andernorts im Land eine WhatsApp-Gruppe organisiert, bestehend aus Freiwilligen, Feuerwehrfrauen- und Männern, Hausfrauen, Veterinär-MedizinerInnen sowie nationalen und internationalen JournalistInnen. Es ist von Hilfslieferungen die Rede, von neuen Handschuhen, Gesichtsmasken, Stiefeln, Trinkwasser und Nahrungsmitteln. Selbst wenn das Ganze zwischendurch etwas chaotisch wirkt: Es ermöglicht die rasche Kommunikation zwischen Stadt und Land, zwischen Versorgungszentren und Krisengebiet.

Täglich laufen neue Bilder, Videos und Augenzeugen-Berichte in den Kanal: von verkohlten Wasserschweinen und Tapiren, von meterhohen Flammen und noch höheren Rauchschwaden. Auf einem der Videos sind HelferInnen zu sehen, die verzweifelt versuchen, von Hand ihre comunidad von der Feuersbrunst zu schützen. Die Polizei von Chiquitania hat am Dienstag zwei Männer festgenommen, die mit Benzin und alten Autoreifen weitere Flächen zu roden versuchten. Offenbar, so teilte der zuständige Polizeikommandant mit, hatten die Männer die Kontrolle über das Feuer verloren – wie andernorts auch. (…)

 

Hauptbild: Viehherde im Grenzgebiet von Bolivien, Brasilien und Paraguay: Noch immer sind viele Brände nicht gelöscht. Die Aufnahme stammt von einem Freiwilligen aus dem Krisengebiet.