Mega-Bergbau: Das eigene Daheim ist heute ein Gefängnis

In diesen Wochen verlässt die erste Kupfer-Ladung Ecuador in Richtung China. Mirador, eines der grössten Bergbauprojekt des Landes, hat gigantische Auswirkungen auf die Region, vor allem auf Frauen. Wegen der zunehmenden Gewalt trauen sie sich kaum noch aus dem Haus und erkennen ihr Dorf nicht wieder.

9. Dezember 2019, Tundayme, Ecuador – „Mit den Maschinen ist es wie mit den Frauen: Ihr wisst, wie ihr sie behandeln müsst, seid künftig aber vorsichtiger.“ Der Mann im Tarnanzug hat sich vor seine Truppe gestellt und tadelt diese für ihren brüsken Umgang mit Baggern und Lastwagen oben am Berg. Es ist fünf Uhr dreissig und die Männer in den orangen Leuchtwesten und gelben Plastikhelmen stehen mehr oder weniger in einer Linie vor ihrem Vorgesetzten. Einzelne lächeln verlegen, andere schwelgen noch in ihren Träumen. 

Der morgendliche Appell findet auf den Stufen des neu gebauten Parks der Gemeinde Tundayme im ecuadorianisch-peruanischen Grenzgebiet statt, nur wenige Kilometer vom Bergbauprojekt Mirador entfernt. Rasen und Sportplatz der Anlage wurden erst vor wenigen Tagen fertiggestellt. Auf der Terrasse, die zur Hauptstrasse führt, prangern vier riesige Buchstaben: ECSA. Der Park steht zwar mitten im Dorf, doch der 300.000-Dollar-Bau dient in erster Linie als Aushängeschild für die staatliche chinesische Bergbaufirma Tongling-CRCC, in Ecuador bekannt unter dem Namen Ecuacorriente S.A., kurz ECSA. 

Plötzlich klatschen ein paar der Männer mit den Leuchtwesten ihre Stiefel zusammen, stehen stramm und schlendern dann in Richtung Restaurant. Auf sie warten Kaffee, Spiegeleier mit Reis und Hühnchenschenkel. Die einzigen Frauen, die um diese Zeit unterwegs sind, sind die Köchinnen auf dem Weg zur Arbeit. Tundaymes Strassen werden am frühen Morgen von Männern dominiert – eine Tatsache, die sich auch im Laufe des Tages kaum ändern wird. 

 

Mirador, eines von fünf Grossprojekten im Land

Während die Männer drinnen frühstücken, ertönen draussen die Motoren der Lastwagen und Muldenkipper. Reihenweise stehen sie vor den unverputzten Häusern des Dorfes und laufen warm. Auf der Hauptstrasse tuckern Busse und Pickups mit weiteren Männern in Leuchtwesten vorbei. Am Strassenrand hat sich eine Gruppe Männer hingesetzt, die Bier trinkt und auf chinesisch grölt.

Die Kupfermine Mirador ist soetwas wie die Zündkerze eines überdimensionierten Motors, der an diesem Vormittag einmal mehr eingeschaltet wird. Mirador, das erste Bergbau-Grossprojekt Ecuadors mit Investitionen im Milliardenbereich soll die wachsende Mittelschicht Chinas mit Rohstoffen versorgen; etwa für die Transportindustrie oder die Telekommunikation. Es ist eines von fünf „strategisch wichtigen“ Projekten im Land. Die anderen vier sind:

  • Fruta del Norte: Befindet sich in der Gemeinde Los Encuentros, Provinz Zamora Chinchipe. Gefundene Metalle: Gold und Silber. Investition: 1.240 Millionen Dollar. Verantwortliches Unternehmen: Lundin Gold (Kanada). Bauphase: Die Goldproduktion hat im Oktober 2019 begonnen.
  • Río Blanco: Befindet sich in den Gemeinden Molleturo und Chaucha, in der Provinz Azuay. Gefundene Metalle: Gold und Silber. Investition: ca. 90 Mio. Dollar. Verantwortliches Unternehmen: Junefield Ressources (China) Bauphase: Das Projekt wurde nach Intervention der lokalen Bevölkerung durch einen Zivilrichter vorläufig auf Eis gelegt. 
  • Loma Larga: Befindet sich in den Gemeinden Chumblin, San Fernando und San Gerardo, Provinz Azuay. Gefundene Metalle: Gold und Silber. Investition: 432 Millionen Dollar. Verantwortliches Unternehmen: INV Metals (Kanada). Bauphase: Das Projekt wurde durch eine Volksbefragung in Girón, einem betroffenen Kanton, im März 2019 vorläufig gestoppt. Eine grosse Mehrheit hatte damals Nein zu dem Projekt gesagt. 
  • San Carlos Panantza: Befindet sich in der Gemeinde San Miguel de Conchay, Provinz Morona Santiago. Gefundene Metalle: Molybdän, Silber, Gold und Kupfer. Investition: 3.032 Millionen Dollar. Verantwortliches Unternehmen: ExplorCobres S.A. (Kanada). Bauphase: Fortgeschrittene Erkundung.*

Die Regierung will aus dem Erdöl-Land Ecuador ein Bergbau-Land machen, und Mirador ist das am weitesten fortgeschrittene Projekt. Im Juli hatte die Produktion begonnen, in diesen Wochen nun soll das erste Kupfer per Schiff in Richtung China verfrachtet werden. 1.200 Tonnen des Metalls sollen hier täglich abgebaut werden; auch Gold steht auf der Abbauliste. Entsprechend gross sind die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt: 1.400 Hektar abgeholzter Wald (entspricht knapp 2.000 Fussballfeldern), verseuchte Wasserquellen und die Umleitung eines ganzen Flusses. Mirador soll bis ungefähr Mitte dieses Jahrhunderts ausgebeutet werden. (…)

 

*Diese Zahlen stammen von der ecuadorianischen Zentralbank (auf Spanisch). Details zur Rohstoffausbeutung in Ecuador, insbesondere zum Bergbau finden sich unter folgendem Link auf Deutsch: https://bit.ly/2qxTUhD

 

Hauptbild: Um den wachsenden Bedürfnissen der chinesischen Mittelschicht nachzukommen wurde hier ein ganzes Wohnviertel plattgemacht: William Uyaguari in San Marcos (Tundayme, Ecuador), Ort, wo bis 2015 das Haus seiner Familie stand. (mutantia.ch)