In Quito suchen Flüchtlinge Schutz in einer Kirche und werden von der Polizei eingekesselt. Das ist nur ein Beispiel für die angespannte Migrationssituation in der Region. Daran ändern auch internationale Umsiedlungsprogramme nichts.
12. August 2019, Quito, Ecuador. – Am Freitag vor einer Woche, es war mitten am Nachmittag, betraten knapp einhundert kolumbianische Flüchtlinge die Kirche Santa Teresita im Zentrum von Quito. Sie mussten wenige Stunden zuvor zum wiederholten Mal ihre zwischenzeitliche Unterkunft verlassen und suchten Zuflucht im Gotteshaus. Statt auf der Strasse zu bleiben, wo sie Gefahr liefen, Opfer eines Angriffes zu werden, hofften sie auf Unterschlupf in Santa Teresita. Doch die Verantwortlichen der Kirche veständigten umgehend die Polizei. Diese erschien mit knapp zwei Dutzend Frauen und Männern, bis auf die Haare in Schutzmaterial gehüllt, als ob sie eine gewalttätige Demonstration aufzulösen hätten.
Nach stundenlangen Verhandlungen zwischen Flüchtlingen, VertreterInnen staatlicher und kirchlicher Instanzen und MitarbeiterInnen von Nichtregierungsorganisationen wurden die Schutzsuchenden mit Bussen in eine Schule im Norden der Stadt gefahren. Dort fehlt es zwar an geeigneter Infrastruktur, aber sie sind immerhin nicht mehr auf der Strasse.
Zuvor soll es im Inneren der Kirche zu gehässigen Szenen gekommen sein. Der zuständige Prokurator, unterstützt von anwesenden Gemeindemitgliedern, machte deutlich, dass Santa Teresita „privates Gelände“ sei und er „keine Anarchie“ zulasse. Gemäss NGO Corredores Migratorios, die ebenfalls vor Ort war, soll sich der zuständige Pfarrer Fredy Garzón gar mit dem Mikrofon hinter den Altar gestellt haben, um sich so besser Gehör zu verschaffen.
Pfarrer spricht von Opportunisten
Zwei Tage später, nachdem die erste der drei Sonntagmorgen-Messen in Santa Teresita zu Ende gegangen ist, gibt sich Fredy Garzón gemässigt und sagt, dass man zu keinem Zeitpunkt gedroht habe, die Kirche räumen zu wollen. „Aber in einem Rechtsstaat gilt es, gewisse Regeln einzuhalten und dazu gehört, dass man nicht einfach einen religiösen Tempel besetzt.“ Zudem müsse man verstehen, dass sich die ecuadorianische Bevölkerung im Gegensatz zur kolumbianischen solche Aktionen nicht gewöhnt sei und entsprechend reagiere.
Für Garzón hingegen, selber aus Bogotá, sind Kirchen-Besetzungen Alltag. Die latente Bedrohung durch den bewaffneten Konflikt zwischen Drogenbanden, ehemaligen Rebellen und staatlichen Streitkräften führt in Kolumbien regelmässig dazu, Kirchen als Zufluchtsort zu nutzen. „Allerdings gibt es viele Opportunisten, die eigentlich gar nicht bedroht werden und die Situation ausnutzen“, sagt Garzón. Das sei bei den kolumbianischen Flüchtlingen am Freitag nicht anders gewesen.
Drohungen auf offener Strasse
Was der Pfarrer jedoch vergisst, mal abgesehen vom Märchen der Nächstenliebe, über das auch an diesem Sonntagmorgen gepredigt wurde: Die Mehrheit der knapp 40 Familien, darunter über drei Dutzend Kinder, ist einer realen Gefahr ausgesetzt. Einst aus Kolumbien geflüchtet, weil sie sich in der Schusslinie von FARC-Rebellen, Paramilitärs und Drogenbanden befanden oder eine dieser Gruppen kritisiert hatten, fühlen sie sich inzwischen auch in Ecuador nicht mehr sicher. Denn der Konflikt findet längst auch auf ecuadorianischem Territorium statt, lediglich in anderer Form. So sind während der vergangenen Monate mehrere der Flüchtlinge – einige leben seit Jahren in Ecuador – bedroht worden: per Telefon oder auf offener Strasse. Laut Corredores Migratorios, die die Flüchtlinge seit Beginn begleitet und mit den Familien ausführliche Gespräche geführt hat, seien die Betroffenen deswegen auch bei der ecuadorianischen Staatsanwaltschaft vorstellig geworden, ohne jedoch ernst genommen worden zu sein. (…)