Der Planet nach der Pandemie

Noch scheint das Ende der Covid-19-Pandemie weit weg. Noch dominieren Lockdowns, Lockerungen und Long Covid die Schlagzeilen. An die Welt danach getraut sich kaum jemand zu denken – ganz einfach, weil wir nach wie vor maskiert auf die Strasse gehen und kaum in die Nähe von anderen Menschen kommen. Vier Journalisten und Journalistinnen aus drei Ländern wagen sich dennoch an den Post-Pandemic-Planet und tauschen ab dem 8. März 2021 Kritik, Träume und Ideen in wöchentlich versandten Briefen aus.    

1. März 2021, Ecuador, Italien, Schweiz. – Es war weder der Einschlag eines Meteoriten, noch jener einer Atombombe. Es war weder das Jahrhunderterdbeben noch der Monstertsunami wie ihn Hollywood und Propheten vorauszusagen pflegen. Das Ding, das die Welt seit rund einem Jahr durcheinander gebracht hat, ist unsichtbar und wird von der Medizin nicht einmal als eigenständiger Organismus anerkannt. Vielmehr handelt es sich um einen kleinen Schmarotzer, der sich im Laufe der vergangenen 365 Tagen in den Körpern von Millionen Menschen eingenistet und sein Unwesen getrieben hat. Viele haben Sars-CoV-2 und die dadurch verursachte Krankheit Covid-19 nicht überlebt, andere kämpfen bis heute mit den Spätfolgen. Doch zum Glück ist die Mehrheit mit einem blauen Auge davongekommen und hatte nebst ein bisschen Husten und dem vorübergehenden Verlust von Geruchs- und Geschmacksnerven keine grössere Beschwerden.

Und dennoch: Was sich im vergangenen Jahr abgespielt hat, lässt aufhorchen. Wie war es möglich, dass ein Virus innerhalb derart kurzer Zeit unser gesamtes Leben auf den Kopf stellen konnte? Inwiefern finden wir wieder zurück in unseren Alltag? Wollen wir das überhaupt wieder? Und wenn Nein: Was sind die Alternativen?

Vier Journalistinnen und Journalisten aus drei Ländern begeben sich ab nächster Woche auf die Suche nach möglichen Antworten. In wöchentlichen Briefen äussern sie ihre Beobachtungen und Kritik an der aktuellen Situation genauso wie ihre Träume und Ideen für die Welt nach Covid-19, für den Post-Pandemic-Planet. Sie tun dies nicht, weil sie das Gefühl haben, ihre Elaborate seien besonders wichtig. Vielmehr tun sie es, weil sie verstehen möchten, und im Laufe ihrer Leben gelernt haben, das Verständnis nur durch Austausch gedeihen kann. Ausserdem schreiben sie, weil sie Kinder haben, Tanten oder Onkel sind, und sich ein Stück weit dafür verantwortlich fühlen, was in den nächsten Monaten und Jahren auf der Erde passiert.  

 

Die Beziehungen und jene, die sich im Aufbau befinden

Der digitale Briefwechsel zwischen Katharina Hohenstein aus Mals (Italien) Claudio Zemp und Markus Föhn (beide aus Zürich, Schweiz) sowie Romano Paganini aus der ecuadorianischen Hauptstadt Quito ist ein Versuch, die fortlaufenden Ereignisse einzuordnen und dem aufkommenden Chaos ein Gesicht zu geben, eine Identität. Ob das gelingt, werden die Leserinnen und Leser beurteilen. Sie sind quasi Zuschauer und Zuschauerinnen einer eigentlich privaten Angelegenheit, bei der die Autoren und die Autorin beschlossen haben, die Öffentlichkeit teilhaben zu lassen. 

Noch etwas kurzes dazu, wie die Vier zueinander stehen: Markus und Claudio haben sich Anfang der 2000er Jahre als Praktikanten bei der Neuen Luzerner Zeitung kennengelernt. 2003 stiess Romano dazu und war im Grossraumbüro im Maihof Luzern zwischenzeitlich gar Sitznachbar von Markus. Claudio war zu diesem Zeitpunkt bereits weitergezogen und sollte Romano erst ein paar Jahre später in seinem Schreibgarten in Zürich kennenlernen. Aus Kollegen wurden Freunde und ab 2016 Brieffreunde. Der interkontinentale Briefverkehr sollte just am Tag der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten seinen Anfang nehmen, rund zwei Jahre später aber wieder im Sand verlaufen …

Wesentlich kürzer sind die Beziehungen zu Katharina. Ja, eigentlich hat nur Romano sie einmal live gesehen: im August 2016 während einer Recherche zum Pestizid-Verbot in Mals. Durch ihre Korrekturarbeit für mutantia.ch (seit Mai 2018) sind allerdings Vertrauen und Zuneigung gewachsen, wenn auch über tausende Kilometer Distanz. Markus und Claudio dagegen haben die Journalistin mit deutschen Wurzeln erst Anfang Februar 2021 während eines Zoom-Gesprächs kennengelernt, sprich: Das Kennenlernen wird während des Briefwechsels ab nächster Woche weitergehen. 

 

 

 * * * 

Zur Autorin und den Autoren

Katharina Hohenstein – Geboren (1967) und aufgewachsen in Deutschland, verbrachte sie in den 1990ern aufregende Jahre in den USA. Seit 2003 lebt sie in Südtirol, wo sie gemeinsam mit einer Kollegin fünfzehn Jahre lang ein Kunst- und Kulturmagazin herausgab. Dieses ist seit 2019 tot, die Lust an der Kommunikation hat überlebt. Leistet Pressearbeit & Korrekturen (mutantia.ch), verfasst Berichte & Texte. Hat zwei Hunde, drei Katzen und füttert sieben Hühner und einen Hahn.

Claudio Zemp – Schreiber und Sprecher, arbeitet als Redaktor der beruflichen Vorsorge. Geboren 1975 am Rand der Innerschweiz, hegt er einen Schreibgarten mit Fabulatur, aus der mitunter blühende Wortwerke wuchern. Er ist Vater, diplomierter Sozialwissenschaftler und lebt seit 2007 in Zürich.

Markus Föhn – 42 Jahre alt, wohnhaft in Zürich. Seit 22 Jahren Journalist, auch wenn er sich seit ebenso vielen Jahren regelmässig fragt, ob er nicht doch etwas anderes tun soll. Interessiert sich nicht für Fussball, ist aber dennoch stolzer Co-Autor einer Biografie über die Schweizer Fussballtrainer-Legende Paul Wolfisberg, und stellt sich das Paradies ungefähr so vor wie die Buchhandlung «Der melancholische Zuhälter» in Buenos Aires: nette Menschen, gute Bücher, starker Kaffee.

Romano Paganini – Journalist und Gärtner, Student der Chinesischen Medizin und der asiatischen Kampfkunst, sowie Betreiber der Online-Plattform mutantia.ch. Er ist in den 1980er Jahren in der Schweiz geboren, wohnt aber seit 2009 in Lateinamerika, zuerst in Argentinien, seit 2017 in Ecuador. Dort hat er auch sein erstes Buch herausgegeben: “Manos de la Transición – Relatos para empoderarnos” (Hände der Transition – Geschichten, die uns stärken).