Mitteilung vom 24. Dezember 2018

Der Fall des Spiegel-Journalisten und ein paar Reflexionen seitens mutantia

 

Dieser Tage hat der Fall des jungen Spiegel-Journalisten Claas Relotius weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Der 33-Jährige hat diverse seiner teils preisgekrönten Texte mit Personen, Zitaten und Gegebenheiten angereichert, die es so nicht oder nur teilweise gegeben hat. Aufgedeckt wurden die Lügen während einer gemeinsamen Recherche von einem Kollegen aus dem eigenen Haus.

Über Ethik, Druck und Fallhöhen im Leben eines Journalisten liesse sich nun lange schreiben. Fakt ist, dass Claas Relotius hundertausende LeserInnen hinters Licht geführt und damit einer ganzen Branche einen Bärendienst erwiesen hat. JournalistInnen gehören ohnehin schon zur Berufsgruppe mit dem schlechtesten Image, unmittelbar nach den PolitikerInnen. Entsprechend wirken Fälle wie jener Relotius’ wie ein Schlag in die Magengrube – insbesondere für jene BerichterstatterInnen, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten versuchen, den Wahrheiten unserer Zeit möglichst nahe zu kommen.

Auch das kleine Team von mutantia.ch hat diesen Anspruch – im Wissen, dass Journalismus oft Knochenarbeit und in den seltesten Fällen mit Anerkennung verbunden ist. Allerdings können und wollen wir uns nicht der Logik des noch schneller, noch besser und noch grossartiger unterordnen. Alltag ist nunmal oft unspektakulär, und unsere Aufgabe als JournalistInnen besteht nicht im Erfinden, Dichten und Überzeichnen (und falls wir es in unseren Texten trotzdem tun, sollten wir es deklarieren), sondern im Recherchieren, Abbilden und Kritisieren. Deshalb versucht mutantia wenn immer irgendwie möglich den Computer auszuschalten und unsere Geschichten vor Ort zu recherchieren. Es gibt nichts über einen Gesprächspartner aus Fleisch und Blut.

Natürlich sind unsere Möglichkeiten auf Grund des nicht vorhandenen Budgets beschränkt; die zaghaft hineintröpfelnden mutantia-Mitgliedschaften decken im Moment nicht einmal die Reisespesen für unsere Geschichten. Und dennoch: Aufrichtigkeit muss unser Anspruch bleiben, egal von wo auf dem Planeten wir arbeiten. Als BerichterstatterIn haben wir nicht nur das Privileg an abgelegene Orte zu fahren und mit ungewöhnlichen Menschen und Umständen in Kontakt zu kommen, wir tragen auch die Verantwortung, diese danach korrekt widerzugeben.

 

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Kommen wir zu den restlichen Mitteilungen zum Jahresende 2018:

  • Pause bis zum 7. Januar 2019: mutantia.ch gönnt sich eine kleine Auszeit. Es wird bis auf weiteres die einzige sein – eine Woche Ende Jahr.
  • Neuabonnement: Pascal ist seit heute mit an Bord – Herzlich Willkommen und Herzlichen Dank!
  • Das Wort zum Montag… soll ab 2019 des öfteren auch aus Büchern stammen. Der Anfang macht heute Ernst von Salomons Liebesgeschichte “Boche in Frankreich”: „Der Fandango dauerte über eine halbe Stunde und wir tanzten ihn. Nicht einen Augenblick hatte ich Majie beim Fandango im Arm, aber nicht einen Augenblick auch hatte ich sie nicht im Blick. Als der Fandango zu Ende war, hatte ich sie für immer im Herzen.“ 

 

Gutes Tanzen, gutes Verlieben, gutes Ausklingen lassen. Und natürlich ein gutes Leseleben wünscht

Das mutantia-Team