Der Krieg um Wasser findet längst statt

Konflikte um’s Wasser gehören in Lateinamerika zum Alltag. Trotz den weltweit grössten Reserven haben Millionen von Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser. Grund ist auch die Ausbeutung von Rohstoffen wie Gold, Kupfer oder Erdöl. Quito. – Als der „Marsch für Wasser und Leben“ Mitte November vor dem ecuadorianischen Parlament in Quito angekommen war, hielten die Mujeres Amazónicas (Frauen des Amazonas) ein paar Strassen weiter das Ministerium für hidrocarburos (Erdöl, Gas, Kohle) bereits seit über 24 Stunden besetzt. Beide Gruppen hatten sich mit demselben Anliegen an die staatlichen Institutionen gewandt: den Schutz des Wassers. Während die DemonstrantInnen ein Verbot für Minenbau forderten – eine Industrie, die besonders viel Wasser verbraucht und verschmutzt – verlangten die Mujeres Amazónicas, dass in ihrem Lebensraum, dem Regenwald, keine weiteren Löcher für die Erdölausbeutung gebohrt werden. Sie würden das Gebäude nicht verlassen, ehe sie nicht vom zuständigen Minister persönlich empfangen würden. Durch ein Leak im Ministerium ist wenige Tage zuvor bekannt geworden, dass die Regierung weitere Bohrlizenzen an die Erdöl-Industrie  vergeben wird – auch innerhalb des Nationalparkes Yasuni. „Wir vergiften uns bereits heute mit verseuchtem Wasser und haben deshalb mit verschiedenen Krebsarten zu kämpfen“, sagte eine der Frauen. „Und jetzt will die Industrie weiter vorrücken. Das können wir nicht zulassen.“ Tatsächlich operiert seit knapp drei Jahrzehnten unter anderem die italienische Agip mit Sitz in Mailand in der Region und hat mehrere Bäche und Flüsse verseucht – Gewässer, von denen die Mujeres Amazónicas und ihre Familien abhängig sind. „Wo sollen wir hin?“, fragt die Frau, „wir können nicht in die Städte ziehen, das entspricht nicht unserem Leben.“ Argentinien: Aktivist und Indigener getötet Eigentlich ist es absurd: Obwohl Lateinamerika weltweit über die grössten Süsswasserreserven verfügt, haben gemäss Schätzungen der UNO knapp 150 Millionen BewohnerInnen keinen Zugang dazu. Das entspricht gut einem Viertel der europäischen Bevölkerung. Der Konflikt um Wasser und Land – Grundelemente für ein Leben in Freiheit – brodelt vielerorts auf dem Kontinenten und betrifft meistens die Territorien von Indigenen und Bauern. In Patagonien zum Beispiel wehrt sich die Bevölkerung seit mehreren Jahren gegen den Minenbau und die Konstruktion von Wasserkraftwerken. Immer wieder kommt es deshalb zu Toten. In der Provinz Chubut (Argentinien) beispielsweise blieb 2017 Aktivist Santiago Maldonado (28) nach einer Intervention der Gendarmerie mehrere Wochen verschwunden, ehe seine Leiche am Ufer eines Flusses auftauchte. Nur wenige Wochen darauf starb Rafael Nahuel (22). Der junge Mapuche hatte sich gegen die Räumung seiner comunidad gewehrt und wurde durch einen Kopfschuss eines Marinesoldaten von hinten getötet. Maldonado und Nahuel sind Opfer vielschichtiger Interessen in der Region. Es geht um Rohstoffe wie Holz oder Mineralien, vor allem aber um den Zugang zu Ländereien, die geopolitisch wichtig sind – auch wegen ihres großen Potenzials als mögliche Flächen für die Gewinnung erneuerbarer Energien. Und natürlich spielt in Patagonien auch Wasser eine Rolle. Wasser für den Bau und Betrieb von Industrien, Wasser für den Verkauf an die BürgerInnen. (…) Hauptbild: “Wenns sein muss, fällen wir Bäume, um der Erdöl-Industrie den Zugang zum Regenwald zu versperren”: Stirnzeichnung einer Frau aus dem ecuadorianischen Amazonas-Gebiet. (Marizu Robledo)

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