Die Fenster von meinem Fenster aus

26. August 2020, Quito – Der mexikanisch-kubanische Fotograf und Dokumentarfilmer
Alejandro Ramírez Anderson bewegt sich mit seiner Kamera seit Jahren zwischen sozio-ökologischen Konflikten und möglichen Lösungsansätzen, sprich: Er ist immer unterwegs.
Doch seit dem radikalen Lockdown in Ecuadors Hauptstadt musste er seine Bilder während
der vergangenen Monate von Zuhause aus machen – von seinem Fenster aus.

 

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Die Serie „Fenster“ habe ich mir nicht ausgedacht. Ich habe sie mir weder vorgestellt noch habe ich sie formuliert. Sie ist während der Zeit der Ausgangssperre einfach so entstanden. Dabei bin ich eigentlich Spaziergänger durch die Berge, den Dschungel und die Strassen, und grosse Reisen gewöhnt. Auf der Suche nach Themen und Menschen, deren Handlungen sowie ihren täglichen Aufgaben bin ich immer wieder auf Überraschendes gestossen – und plötzlich werde ich selber überrascht und von einem Tag auf den anderen kann ich mich nicht mehr bewegen.

Eines der wenigen Dinge, die einem Beobachter bleiben, der sich im Spannungsfeld von Vorbeugemassnahmen zur Verhinderung einer Covid-19-Ansteckung und dem Regelnbrechen befindet, sich zwischen Angst, Fürsorge und der Organisation des Lebensunterhalts bewegt, für einen solchen Beobachter bleibt letztlich nur, aus dem eigenen Fenster zu schauen. In meinem Falle war es das Fenster im sechsten Stock eines Hochhauses in Ecuadors Hauptstadt, gegenüber von anderen Hochhäusern. Die Tage vergingen und irgendwann auch die Wochen. Bis du irgendwann erkennst, dass die Realität, die sich vor deinen Augen abspielt, plötzlich eine unglaubliche Neuheit darstellt, und sich einem durch das Durchblicken anderer Fenster neue Wahrnehmungen erschliessen, derer man sich zuvor gar nicht bewusst gewesen war.

Die Fenster von meinem Fenster aus“ zeigen die Widersprüche unserer eigenen Alltags-Realität, inmitten einer Pandemie, von der gemäss Angaben des ecuadorianischen Gesundheitsministeriums bisher über 100.000 Menschen erkrankt sind. Der Andenstaat gehört in Lateinamerika zu den von Covid-19 am stärksten betroffenen Ländern.

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