Im Zweifelsfall für die Verfolgung

Eine Serie von Einbrüchen hat dutzende von Kulturschaffenden in Quito in Alarmbereitschaft versetzt. Ob diese in Zusammenhang mit dem Landesstreik stehen, ist unklar. Fest steht jedoch, dass es seit Oktober an verschiedenen Orten in Ecuador zu politischen Verfolgungen gekommen ist – und diese gehört im Andenstaat zum Alltag. 

 

2. Dezember 2019, Quito. – Ola Bini – der schwedische Internetaktivist und Freund von Julian Assange – warnte bereits im Juli davor, kurz nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis: „Wenn mir so etwas passiert, dann kann das genauso gut jeder anderen Person widerfahren.“ Der 37-Jährige bezog sich damals auf die ecuadorianische Regierung, die Bini als Teil eines internationalen Spionage-Netzwerkes angeklagt hatte, allerdings ohne handfeste Beweise. Im Gespräch mit der Digitalzeitschrift Barra Espaciadora äusserte Bini damals seine Besorgnis darüber, dass selbst im 21. Jahrhundert nicht zwischen Exekutive und Judikative unterschieden werde und er letztlich nichts weiter sei als ein Opfer politischer Verfolgung.
Ein halbes Jahr später sollten sich die Befürchtungen des Programmierers bewahrheiten. Seit dem Landesstreik vor knapp zwei Monaten ist es an verschiedenen Orten in Ecuador zu Hausdurchsuchungen und Verhaftungen gekommen, teilweise mit fadenscheinigen Begründungen. Die Regierung um Präsident Lenin Moreno wirft den Beschuldigten unter anderem vor, im Oktober zur Rebellion aufgerufen und diese mithilfe internationaler Gelder finanziert zu haben. Verhaftet wurden sowohl die Provinzvorsteherin von Pichincha – zu der Quito gehört – als auch ein früherer Parlamentsabgeordneter und heutiger Generalsekretär der Revolución Ciudadana (RC, „Bürgerrevolution“), also der von Ex-Präsident Rafael Correa gegründeten Bewegung, die nach dem Streit zwischen ihm und Moreno 2017 ins Leben gerufen wurde. 

Ebenfalls verhaftet wurde der Aktivist und Künstler Christian Gonzalez, sowie der chilenische Sänger und Liedermacher Juan Paredes. Während Gonzalez als RC-Anhänger trotz dünner Beweislage weiterhin festgehalten wird – die Staatsanwaltschaft fand bei der Hausdurchsuchung nichts weiter als Bücher, Flyers und T-Shirts mit politischen Botschaften –, war Paredes innerhalb von 24 Stunden wieder auf freien Fuss. Der Verdacht auf Rebellion liess sich bei ihm genauso wenig erhärten wie jener auf Terrorismus bei vierzehn weiteren Angeschuldigten, die bei der Brandstiftung des Rechnungshofes am zweitletzten Streiktag beteiligt gewesen sein sollen. Mangels Beweisen lautet die Anklage nun auf Sabotage, Stilllegung des öffentlichen Dienstes und Zerstörung von Registern zum Staatshaushalt. 

 

Vizepräsident stösst auf Ablehnung

Wie bei Ola Bini sucht die Regierung auch im Nachgang zum Landesstreik verzweifelt nach Schuldigen. Sie verdächtigt unter anderem die Drogenmafia sowie Morenos Vorgänger Rafael Correa, die Proteste im Oktober mitfinanziert und die DemonstrantInnen angestachelt zu haben. Am Donnerstag mussten ausserdem die beiden indigenen Führer Jaime Vargas und Leonidas Iza bei der Staatsanwalt vorsprechen; gegen sie wird wegen Aufhetzung ermittelt.

Wie angespannt die Situation im Land und wie niedrig gleichzeitig der politische Rückhalt der Regierung ist, zeigt die Tatsache, dass Ecuadors Vizepräsident Otto Sonnenholzner, der während der vergangenen Wochen im ganzen Land versucht hatte, die Beziehung zwischen Regierung und Bevölkerung wieder in Gang zu bringen, von mehreren BürgerInnen vor laufender Kamera Ablehnung erfuhr. Lenin Moreno selbst, der immer wieder betont, wie wichtig Humor im Leben sei, antwortete bei einer öffentlichen Veranstaltung zum Tag des Kindes auf die Bitte eines elfjährigen Mädchens, ihre indigenen Geschwister nicht weiter zu verfolgen: „Ganz ehrlich, mir ist nicht klar, wann die indigenen Geschwister verfolgt worden sind.“(…)

 

Hauptbild: Im Útero versammelten sich auch regierungskritische Gruppen: Luz Alban (ganz links) und KollegInnen vor den verschlossenen Türen des Kulturzentrums im Herzen Quitos. (mutantia.ch)