Die Klima-Bewegung hat sich innerhalb weniger Monate rasend schnell ausgebreitet. Auch in Lateinamerika formieren sich die AktivistInnen. Allerdings sind die Umstände hier andere – und damit auch die Methoden des Protests.
23. September 2019, Quito, Ecuador. – Mit einer Sanduhr in der Hand schlendert der junge Mann durch die Ausstellung von Carlos Alonso, ein argentinischer Künstler, der seine Werke im Museum Bellas Artes ausgestellt hat: Schweinehälften und Rinderbeine, ein bewaffneter Militär und ein Agent aus der Zeit der argentinischen Militär-Diktatur (1976-1983). Da bricht der junge Mann plötzlich zusammen. Der Sand hat ausgesiedelt, seine Zeit ist abgelaufen. Und als sich die anderen seiner Gruppe nähern und ihn berühren, fallen sie ebenfalls um. Eine und einer nach dem anderen. Rund fünfzig Personen sind es, die am Tag der Umwelt vor den Augen der MuseumsbesucherInnen in Buenos Aires zusammenbrechen und den Akt filmisch und fotografisch festhalten.
Die Aktion von Extension Rebellion (Rebellion gegen das Aussterben) ist mit den Verantwortlichen von Bellas Artes abgesprochen. Und die am Boden liegenden Körper der AktivistInnen wirken: vertrieben, verhungert, verdurstet, gestorben. Von all dem fürchten sie sich. Sie machen sich Sorgen, dass die Zeit bald abgelaufen und das menschliche, tierische und pflanzliche Leben auf diesem Planeten bald Geschichte ist. Die ausgestreckte Hand mit der leeren Sanduhr, das Symbol von Extension Rebellion (XR), ist eine Mahnung, die deutlicher nicht sein könnte.
Ihr Ziel: verhaftet zu werden
Kaum ein Jahr ist sie alt, die in England geborene Klima-Bewegung, und doch hat sie, zusammen mit fridaysforfuture (fff), weltweit bereits hunderttausende, vorwiegend junge Menschen, mobilisiert, zuletzt am vergangenen Freitag. Während fff bisher „nur“ gestreikt hat, setzt XR bewusst auf Zivilen Ungehorsam: sei das durch Anketten an Banken wie in Zürich, durch Blockieren von Automobil-Ausstellungen wie in Frankfurt oder die Besetzung von Medienhäusern wie etwa die New York Times. Ihr Ziel: verhaftet zu werden und dadurch mehr Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu generieren.
XR verlangt erstens, dass die Regierungen den Klima-Notstand ausrufen, sich also dazu bekennen, dass die bisher ergriffenen Massnahmen in Bezug auf den Klimaschutz nicht ausreichen und neue Gesetze geschaffen werden müssen. Zweitens soll sofort gehandelt werden, denn nur so könne das Artensterben eingeschränkt werden. Und drittens sollen sich die Regierungen künftig an einer neu geschaffenen Bürgerversammlung zu Klimafragen und ökologischer Gerechtigkeit orientieren.
In Europa und in den USA steht der Klimawandel seit Jahren auf der politischen Agenda. Dutzende von Städten haben inzwischen auch den Notstand ausgerufen. In der Schweiz sind es zum Beispiel die Städte Liestal, Olten und Délemont sowie die Kantone Basel-Stadt, Jura und Waadt. (…)
Hauptbild: Die Sanduhr hat ausgerieselt: AktivistInnen von Extension Rebellion Argentinien bei einer Aktion im Museum Bellas Artes in Buenos Aires, Anfang Juni 2019 (XR Argentinien).