Junge Köche setzen auf alte Zutaten

In Ecuador lernen Nachwuchsköche mit Früchten und Gemüse kochen, die bereits vor den Inkas verwendet wurden. Sie stärken dadurch nicht nur die lokalen Bauern, sondern gelangen mit ihren Speisen an jene Gaumen, die für die gastronomischen Moden im Land verantwortlich sind: jene der reichen Oberschicht.   

18. November 2019, Quito – Wenn Rodrigo Pacheco auf dem Programm steht, kommen die Leute in Scharen. Der 37-jährige Koch, verantwortlich für die Mahlzeiten in einem Luxusressort an der ecuadorianischen Pazifikküste, gehörte bei der Netflix-Serie The final table zu den Besten seines Fachs und stand während der vergangenen Monate im Rampenlicht wie nur wenige Köche im Land. Entsprechend gross ist der Andrang, wenn der Mann mit dem Vollbart und den starken Armen seine Künste teilt, so wie kürzlich in Quito. Hier hat er während eines Koch-Workshops die papayuelos aus der Versenkung geholt. In den Städten weiss heute nämlich kaum noch jemand, dass sich mit der Papaya ähnlichen Frucht leckere Säfte und Desserts zubereiten lassen.

Dem wollten die Organisatoren des Workshops entgegenwirken. Ihr Interesse: alte Zutaten wieder gesellschaftsfähig zu machen und dadurch die kulturelle Identität Ecuadors stärken. „Viele Mahlzeiten sind im Laufe der Jahre verloren gegangen, weil man sie mit Indigenen oder AfroecuadorianerInnen identifiziert und deshalb für etwas Minderwertiges hielt“, sagt Javier Carrera, Gründer von Red de semillas, einem landesweiten Saatgut-Netzwerk, das sich dem Erhalt einheimischen Saatguts verschrieben hat. Lieber konsumiere man Weissbrot, weil man – so erklärt es sich Carrera – „das Weisse mit Geld, Fortschritt, Sauberkeit und Reinheit in Verbindung bringt“.

 

Rassismus beim Essen 

Über diese Farben-Lektüre lässt sich freilich streiten. Offensichtlich hingegen ist der – auch während des Landesstreiks im Oktober zu Tage getretene – Rassismus innerhalb der ecuadorianischen Gesellschaft. Und dieser widerspiegelt sich auch in den Essgewohnheiten. Zwar wird in den hiesigen Restaurants und auf den Märkten nach wie vor Einheimisches serviert, doch der Trend zu Fastfood à la USA ist unübersehbar. Gerade die junge, urbane Generation isst gerne und oft Hamburger mit Pommes und spült es mit Cola runter. Kaum jemand kennt hier noch die chonta, eine Art gelbe Pflaume, mit der sich vorzügliche Säfte zubereiten lassen, deren Aminosäuren und Omega-3-Fette wichtige Nährstoffe für den menschlichen Stoffwechsel liefern. Oder jicama, eine Wurzelfrucht, deren Geschmack an Apfel erinnert. Sie rückte erst wieder ins Bewusstsein der städtischen Bevölkerung, nachdem Grossverteiler auf die Nährwerte von jicama aufmerksam geworden sind und sie deshalb in ihr Sortiment aufgenommen haben – neben geschmacksfreien Äpfeln aus Chile und aufgeblasenen Trauben aus den USA. (…)

 

Hauptbild: Fernseh-Koch Rodrigo Pacheco serviert sein neustes Dessert, bestehend aus papayuelos, einer Art Papaya. Am Endes des Tisches die beiden Jungköche Katherine Reyes (24) und Renato Paredes Porras (29). (Red de semillas)