Rauchende Därme und Teller für die Ewigkeit

Im Park Las Tripas in Quito wird währschaftlich gegessen und unglaublich viel weggeschmissen. Einer der Gründe für die Plastikberge: die städtischen Hygienevorschriften. La Vicentina, Quito. – Der Abend beginnt mit einem Mann, der sich sein Menu aus Esswaren zusammenstellt, die andere in die Mülltonne geworfen haben. Er schlendert am Rand des Trottoirs entlang, geht von einer Tonne zur anderen, schaut, wühlt, holt heraus und leert das Weggeschmissene auf seinen eigenen Teller. Rinderknochen, Schafskutteln, Salzkartoffeln, Maiskolben, Bohnen, Zwiebelringe; teils angegessen, teils unberührt. Den Saft in den weggeworfenen Tellern leert er obendrauf. Sein Menu wird ähnlich schmecken, wie das vor wenigen Minuten Gekaufte. BesucherInnen, die zu den Mülltonnen kommen, reagieren verdutzt auf das Schauspiel. Sie wissen nicht recht, ob sie sich nun betroffen oder angewidert fühlen sollen. Dem Mann mit dem fremden Essen ist das egal. Noch auf der Strassenkreuzung, die Las Tripas mit dem Universitätsviertel verbindet, beisst er in eine der Köstlichkeiten, die andere nicht wollten oder nicht mehr mochten und verschwindet schliesslich in der Dunkelheit. Gut Einspeicheln Schon von weitem sind die Rauchsäulen von Las Tripas zu sehen. Sie erinnern an den Jemaa el-Fnaa in Marrakesh oder an irgendeinen Bratwurststand einer Schweizer Chilbi. Wie eine einzig grosse Küche sieht es aus, zwei auf etwa dreissig Meter, Stand neben Stand. Abend für Abend wird hier gekocht, gegessen, getrunken und gebettelt. Es riecht nach verbrannter Kohle und gebratenem Fleisch, nach frittierten Teigtaschen und gekochten Erdäpfeln. Die Stehtischchen sind bedeckt mit Tellern und Besteck und Flaschen und Servietten und Fett. Hie und da glimmt eine Verdauungszigarette, manch eineR rülpst leise in sich hinein. In Las Tripas wird geschlemmt – und zwar so, dass einem durchaus schlecht werden kann. Man schwatzt schmatzend, gönnt sich zwischendurch hurtig einen Schluck Cola und kratzt sich die Reste aus den Zähnen. Dann wird weitergekaut. Immerhin muss das Fleisch irgendwie aufgeweicht, der scharfe ají mit den zermahlenen Mais- und Kartoffelstücken vermischt werden. Nur so entsteht guter Geschmack. Die hungrigen Mäuler kommen von den Universitäten und Baustellen, aus den Büros und Shoppingmalls. Auf dem Weg von A nach B ist Las Tripas eine willkommene Zwischenstation, quasi ein Boxenstopp, um gestärkt nach Hause zu fahren. Oder zur Arbeit. Oder in den Puff. Manche der BesucherInnen kommen von weither, tragen wertvolle Kameras sowie Schuhe und Rucksäcke aus Übersee. Sie unterhalten sich in ihrer Sprache über Essen, Gott und all die anderen Dinge, die ihnen gerade in den Sinn kommen oder über den Weg gelaufen sind. Las Tripas ist Treffpunkt und Fresspunkt, ein Durchlauferhitzer für Schlemmmäuler und Sinnbild für Überfluss. Und noch etwas charakterisiert den Park an der zentral gelegenen Ostkante der Stadt: Er ist der tägliche Knotenpunkt für tausende von AutofahrerInnen. (…) Hauptbild: Das Grosse Schlemmen zwischen Abgasen und Plastikmüll: Nur die Gringos, so wird uns gesagt, bringen ihr Geschirr mit und lassen sich die Mahlzeit in Las Tripas in abwaschbaren Tellern servieren. (mutantia.ch)