„Ich werde in den nächsten Monaten und Jahren
die Produktion von Gemüse und Früchten ausbauen„
German Garcia (39) – Vater, Gemüsegärtner, Biologe
Chapadmalal (Argentinien)
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil ich nun mehr Zeit habe für meinen Sohn und meine Lebenspartnerin sowie fürs Bestellen meines Gemüsegartens. Ausserdem kann ich nun täglich darüber nachdenken, wie ich das mit dem Essen langfristig lösen möchte. Mein vorheriger Alltag führte mich zu mehr Komfort, er führte mich ins Büro und zum Supermarkt. Zu dieser „Normalität“ möchte ich nicht zurück.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19: Ich möchte ein System für die Heimproduktion von Hühnereiern aufbauen. Und auch die vermehrte Herstellung von Eingemachtem steht auf meiner Liste. Zudem scheint mir wichtig, öfters nachbarschaftliche Netzwerke zu pflegen, vielleicht sogar in einem kleineren Rahmen, als dass wir dies bisher getan haben. Meine akademischen Tätigkeiten hingegen sehe ich in Zukunft eher im Homeoffice.
Mein persönlicher Beitrag: Wir brauchen Netzwerke für den Austausch von natürlich produzierten Lebensmitteln. In diesem Sinne werde ich in den nächsten Monaten und Jahren die Produktion von Gemüse und Früchten auf meinem Landstück ausbauen.
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Stimmen der Zuversicht
9. Mai 2020, Quito. – Österreich seit Ostern, die Schweiz seit vergangener Woche und Ecuador seit Montag: Regierungen rund um den Planeten lockern ihre Massnahmen in Bezug auf die Covid-19-Pandemie. Was das für das Zusammenleben bedeutet, wird sich erst zeigen müssen. Immerhin waren seit Anfang Jahr Millionen von Menschen in ihren Wohnungen und Häusern gefangen und hatten kaum Kontakt zur Aussenwelt. Weitere Millionen, wie beispielsweise in Indien sowie einigen Staaten Afrikas und Lateinamerikas, sind es immer noch. Und wiederum Millionen – vorwiegend im globalen Süden – kämpfen auf Grund des wirtschaftlichen Zusammenbruchs ums nackte Überleben. Die UNO rechnet damit, dass sich die Zahl der Hungernden – nicht zuletzt auf Grund der Pandemie – bis Ende 2020 auf 265 Millionen Personen verdoppeln könnte. Hinzu kommen all die anderen Krisen: von Klima über Migration zur Rohstoffausbeutung bis hin zum Kollaps ganzer Gesellschaften.
Düstere Aussichten also, zumal dies erst der Anfang einer tiefgreifenden Krise ist, wie sie es die Welt seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehen hat. Das mag Angst auslösen, ja bei Einzelnen sogar Panik. Doch genau diesem Gefühl will mutantia.ch nun entgegenwirken. Das scheint uns deshalb wichtig, weil ein ängstliches Volk ein schwaches Volk ist. Und weil sich ein schwaches Volk einfacher dominieren lässt als eines, dass sich seinen Fähigkeiten und Stärken bewusst ist und Ereignisse kritisch zu beurteilen vermag. Gerade in Krisenzeiten brauchen wir Menschen, die sich von den Fesseln der Angst befreien und zusammen mit anderen das Danach planen und gestalten. Denn die Zeit nach der Covid-19-Pandemie wird kommen. Es liegt auf der Hand, dass wir als Spezies nicht zu jenem Alltag zurückkehren können, den wir gemeinhin für normal hielten. Dazu war er schlicht zu feindselig, sowohl für die Natur als auch für uns Menschen.
Deshalb lanciert mutantia.ch heute im Verbund mit Extension Rebellion Ecuador die Kampagne „Auf dass sich die Angst verzieht!“. In den nächsten Tagen und Wochen soll jenen Menschen das Wort gegeben werden, die sich über die Post-Covid-19-Zeit bereits Gedanken gemacht haben und Ideen für ein anderes Miteinander haben. Konkret geht es um drei Punkte:
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil …
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Mein persönlicher Beitrag:
Dazu Vor- und Nachname der Person sowie ein Foto, dass die Person ausserhalb ihrer vier Wände zeigt. Schön wäre, sie an einem Ort in der Natur zu sehen, an dem sie sich oft und gerne aufhält. Mitmachen kann jedeR, die oder der etwas mitteilen und zum kollektiven Aufbau der Post-Covid-19-Realität beitragen möchte. Vorschläge inklusive Foto bitte auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch oder Englisch an folgende Mailadresse senden: redaktion.mutantia@gmail.com.
Der Anfang der Kampagne macht heute German Garcia, Vater, Gemüsegärtner und Biologe. Der 39-Jährige aus dem argentinischen Küstenort Chapadmalal will auf keinen Fall zurück zum Alltag vor der Pandemie, weil er nun mehr Zeit für seinen Sohn, seine Lebenspartnerin sowie fürs Bestellen seines Gemüsegartens hat.
Wir freuen uns auf eure Anschriften.
das mutantia-Team
PS: Freiwillige, die uns beim Übersetzen der Kampagne ins Französische oder Italienische helfen oder uns beim Design der Kampagne im deutschsprachigen Raum unterstützen wollen, sind Herzlich Willkommen!
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„Gemeinsam mit meiner Familie möchte ich weiterhin ein Modell
eines nachhaltigen Lebens vorschlagen, ein Leben des Möglichen“
Leidy Casimiro Rodríguez, Professorin an der Universität
von Santi Spíritus sowie Landwirtin auf der Finca del Medio
– Santi Spíritus, Kuba
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil ich nicht glaube, dass man jemals wieder so leben kann, wie vor der Pandemie. Diese durch verschiedene Umstände erzwungene Pause veranlasst mich, die Zukunft aus einer anderen Perspektive zu betrachten, die Gegenwart zu überdenken, mich auf Details des Lebens zu konzentrieren, die mich einfacher und glücklicher machen, und wichtige Dinge zu schätzen, die ich vorher nicht ausreichend wahrgenommen habe.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Ich schlage nachhaltige Lebensmodelle vor, die auf den Ethik- und Gestaltungsprinzipien der Permakultur basieren, also bewusste Gesellschaften, die ihre Nahrungsmittel produzieren, ohne die Umwelt zu schädigen, die ökologische und kulturelle Vielfalt schützen und fördern und die sich um das physische und spirituelle Wohlergehen ihrer Gemeinschaften sorgen.
Mein persönlicher Beitrag:
Gemeinsam mit meiner Familie möchte ich weiterhin ein Modell eines nachhaltigen Lebens vorschlagen, ein Leben des Möglichen. Wir haben dieses Leben aus unserer täglichen Praxis erfahren und wollen dadurch andere inspirieren. Wir kamen vor Jahren zu einem verlassenen und heruntergekommenen Bauernhof, wo alle konventionellen und traditionellen Modelle versagt hatten, doch wir machten uns daran, eine neue Lebensweise im Einklang mit der Natur zu entwickeln, und zwar ohne irgendetwas oder irgendjemanden zu schädigen. In Bezug auf Nahrung und Energie sind wir inzwischen autonom. Das geschah auch dank der Kraft der Kreativität und dem Teilen von Wissen und Erfahrungen mit all jenen, die uns besuchen oder die wir besuchen.
„Wenn wir an der Seite der Menschen sein wollen, die wir lieben, müssen wir letztlich Risiken eingehen, doch ich weiss nicht, ob wir alle dazu bereit sind“
Ricardo Rubio, Fotojournalist
– Madrid, Spanien
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil ich denke, dass es schwierig sein wird, ein Leben wie vor der Pandemie zu verstehen. Es wäre komplex, das Leben weiterhin so zu leben versuchen, wie wir es zuvor getan hatten. Persönliche Beziehungen werden von dem Virus geprägt sein. Isolation und Entfremdung entwicklen sich zu Schlüsselfaktoren in Beziehungen. Wenn wir an der Seite der Menschen sein wollen, die wir lieben, müssen wir letztlich Risiken eingehen, doch ich weiss nicht, ob wir alle dazu bereit sind.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Ich schlage vor, dass jeder von uns seinen Teil der Verantwortung für den Rest übernimmt und sich bewusst ist, gegen welche Art Feind wir kämpfen. Wir müssen lernen, mit dieser neuen Realität zu leben. Gleichzeitig müssen wir verlernen, wie wir bisher gelebt haben. Im Gleichgewicht findet sich die Antwort.
Mein persönlicher Beitrag:
Lehren, was passiert und wie es passiert. Den Rest überlasse ich der Interpretation aller anderen. Aber die Geschichten zu erzählen, die passieren, ist etwas Grundlegendes.
„Wir sollten die direkten Wertschöpfungsketten zwischen Produzenten und Konsumenten unterstützen, also die lokalen Bauern sowie die kleinen Firmen“
Mariana Toscana, Sozialarbeiterin
– Managua, Nicaragua
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil … Ich denke, das Leben wird nach der aktuellen Situation nicht mehr jenes Leben sein, das wir bisher gelebt haben.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Die Wirtschaft ist einer jener Aspekte, die von der Pandemie am stärksten betroffen ist, insbesondere kleine Unternehmen sowie Kleinproduzenten, die von Tag zu Tag leben. Wir müssen diesen Sektoren helfen, indem wir aufhören, bei grossen Unternehmen zu kaufen. Wir sollten die direkten Wertschöpfungsketten zwischen Produzenten und Konsumenten unterstützen, also die lokalen Bauern sowie die kleinen Firmen.
Mein persönlicher Beitrag:
Das, was ich vorschlage.
„Die Pandemie zwingt uns dazu, anzuhalten und dann langsam aufzusteigen:
Bis jetzt haben wir die Welt noch gar nicht wahrgenommen“
Claudia Acevedo Pérez, Buchredakteurin
– Havanna, Kuba
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil das Leben vor der Pandemie bereits nicht mehr existiert. Wir sind als Individuen dazu gezwungen worden, die Geschwindigkeit, in der wir leben, zu überdenken. Ich erinnere mich stets an den Film Koyaanisqatsis („Life Out of Balance“) aus dem Jahr 1982, der die Natur, die menschliche Präsenz und ihre Auswirkungen auf die Welt zeigen. Es ist einer jener Filme, die eigentlich eine sinnliche Erfahrungen sind. Die Pandemie zwingt uns nun dazu, anzuhalten und dann langsam aufzusteigen: Bis jetzt haben wir die Welt noch gar nicht wahrgenommen.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Deinen Nächsten mehr lieben.
Mein persönlicher Beitrag:
Machen Sie jeden Tag eine Geste, um zur Freiheit beizutragen. Denn ohne Freiheit ist nichts möglich.
„Essen mit jemandem zu teilen,
der Hunger leidet, war eine grosse Genugtuung“
Leidy Ricaurte, Master in landwirtschaftlicher Entwicklung
– Quito, Ecuador
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, denn der ganze Prozess der vergangenen Wochen hat es mir erlaubt, die kleinen Dinge wertzuschätzen – Dinge, die mir eigentlich wichtig sind, über die ich vorher jedoch nicht gross nachgedacht habe. Wie zum Beispiel, mir Zeit zu nehmen, und auf dem Balkon meines Wohnblocks die morgendlichen Sonnenstrahlen zu geniessen, während ich frühstücke. Oder die Nachbarn im Gebäude gegenüber zu grüssen. Einmal sass ich auf dem Balkon, als ein Obdachloser mit seinen beiden Hunden an meinem Haus vorbeiging. Er bat mich, ihm etwas zu essen zu geben. Essen mit jemandem zu teilen, der Hunger leidet, war eine grosse Genugtuung.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Wir sollten mehr Räume schaffen, um den Menschen, die auf der Strasse leben, helfen zu können. Orte wie Gemeinschaftsküchen fände ich wichtig. Im Gegenzug sollten wir sie dazu verpflichten, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und ihr Leben in die Hand zu nehmen.
Mein persönlicher Beitrag:
Ich könnte Teil einer Gruppe von Menschen oder einer Organisation sein, die Initiativen ergreifen, um anderen zu helfen.
„Unsere Ausbildung sollte sich darauf konzentrieren,
jene Teile der Welt zu konservieren, die wir noch haben
und die Veränderungen nicht auf später verschieben“
Erika Pacheco, Lehrerin für Kultur und Muttersprachen,
Mutter und Immigrantin
– Lund, Schweden
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, denn jetzt werden wir uns erst richtig bewusst, wie wichtig das Leben ist. Lebendig und gesund zu sein, ist heute das Hauptziel eines jeden Menschen. Wie oft haben Sie schon darüber nachgedacht? Die Rhythmen des Lebens in unseren Gesellschaften erlaubten es uns nicht, das zu schätzen, was uns am nächsten steht: Familie, Freunde und andere geliebte Menschen. Aber jetzt, wegen der Einschränkungen, die uns die Pandemie auferlegt hat, können wir nicht in der Nähe dieser Menschen sein. Es gibt keine Flüge, die Grenzen sind geschlossen und die Möglichkeit ältere oder gesundheitlich angeschlagene Menschen zu sehen, ist stark eingeschränkt. Wenn all dies vorbei ist, werden wir als erstes zu all jenen gehen, die uns lieb sind.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Ich denke, wir sollten uns auf eine neue Art des Unterrichts vorbereiten, sowohl in den Schulen als auch bei uns Zuhause. Wir müssen uns darauf konzentrieren, starke Menschen zu erziehen, Menschen die wissen, wie man der Angst vor Isolation und Einschränkungen begegnet. Und wir sollten uns bewusst sein, dass die Jugendlichen und Kinder, die in dieser neuen Gesellschaftsordnung aufwachsen werden, sich auf eine andere Art des sozialen Austausches vorbereiten müssen. Unsere Gesellschaften haben einen abrupten Wandel durchgemacht. Wir waren jedenfalls nicht in der Lage, das wahre Ausmass dieser Pandemie und ihrer Auswirkungen zu erfassen. Aber wenn es um neue soziale Prozesse geht, gibt es immer auch Ängste. Wir müssen unsere Erziehung dahingehend ausrichten, die Angst in eine innere Kraft zu verwandeln. Ausserdem sollte unser inneres Ich lernen, sich anzupassen, so dass es in heiklen Situationen zu überleben weiss und sich gleichzeitig um sich und seine Lieben kümmern kann.
Mein persönlicher Beitrag:
Wir sollten sofort damit beginnen, Veränderungen im Verbrauch unserer Ressourcen herbeizuführen. Ich denke, als Menschen werden wir uns an jede Veränderung anpassen, denn als Gesellschaft sind wir stark und haben unzählige Katastrophen und Epidemien überlebt. Unsere Ausbildung sollte sich darauf konzentrieren, jene Teile der Welt zu konservieren, die wir noch haben, und nicht an eine „nahe Zukunft“ denken oder die Veränderungen auf später verschieben. Wir müssen jetzt beginnen.
„Wenn die Menschen verantwortungsbewusster mit dem umgehen würden,
was ihnen am nächsten steht, würden wir unsere Umwelt wirklich verändern“
Nicole Moyano, Psychologin mit einer Leidenschaft für Literatur
– Ambato, Ecuador
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil das Leben zuvor das egoistischste und unverantwortlichste Verhalten der Menschen widergespiegelt hat. Wenn die Menschen verantwortungsbewusster mit dem umgehen würden, was ihnen am nächsten steht (Familie, Freunde, Nachbarn), würden wir unsere Umwelt wirklich verändern – insbesondere dann, wenn sich viele Menschen dem gleichen Gedanken anschliessen würden.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Ich denke, mein Vorschlag sollte heute kommen, und nicht erst morgen oder in einem Monat oder irgendwann nach Ende der Quarantäne. Ideal wäre es, ein Vorher und ein Nachher zu markieren und eine Art Generationen-Gemeinschaft zu bilden, die durch digitale Werkzeuge wie das Internet oder soziale Netzwerke wie Facebook&Co. dafür sensibilisiert wird, was Leben, Liebe und Hoffnung wirklich bedeuten.
Mein persönlicher Beitrag:
Einen digitalen Raum für jene Menschen zu schaffen, die sich betrübt, traurig, glücklich, nachdenklich oder kreativ fühlen, im Wissen, dass sie nicht allein sind. Heute gibt es Schriftsteller, die nicht schreiben, Kommunikatoren, die nicht kommunizieren, kreative Menschen, die nicht glauben, ganz einfach weil ihnen vielleicht ein Impuls, eine Motivation, ein Fokus, ein Wort oder das Gefühl fehlt, gehört zu werden. Für diese Menschen und all jene, die etwas erzählen wollen, habe ich die Website kokomemories.com geschaffen.
„Ich schlage vor, die Werte und Weisheiten unserer Vorfahren
wieder aufzugreifen. Es gilt wichtige Werte zu schützen wie Gesundheit, Agrarökologie, Spiritualität und Menschenrechte“
Pascual Pérez Jiménez, Kommunikationfachmann
Agrarökologe und politischer Vertreter der Maya
– Ixcán, Guatemala
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil wir innerhalb von Fiktionen der Gier, Intrigen und des Ausschlusses gelebt haben. Daher bin ich zur Überzeugung gekommen, soziale Werte wieder herzustellen und mein Engagement für eine bessere Welt zu revidieren. Ich bin Agrarökologe und überzeugt davon, dass, wenn sich die Sache wieder „normalisiert“, ich neue Verbündete haben werde. Schliesslich ist Covid-19 aus einem Laboratorium und Teil eines makabren Plans zur Zerstörung ganzer Volkswirtschaften oder zur Tötung alter Menschen. Nun, unabhängig davon, woher das Virus stammt, wissen wir, dass es Mächte gibt, die uns vernichten können: Mächte mit ihren atomaren oder bakteriologischen Massenvernichtungswaffen, aber auch die Natur selber, die uns eine Quittung für unser undankbares Verhalten zukommen lässt.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Ich schlage vor, die Werte und Weisheiten unserer Vorfahren wieder aufzugreifen. Es gilt wichtige Werte zu schützen wie Gesundheit, Agrarökologie, Kosmovisionen, Spiritualität, Gerechtigkeit und Menschenrechte im Allgemeinen. Ich schlage vor, dass wir uns artikulieren, um einen kollektiven Nenner zu schaffen, der uns als Leitlinie zur Wiederherstellung von Demokratie und Institutionalität dient. Ich denke an eine gemischte Wirtschaft, in der der Staat 51 Prozent der Anteile hält, und wo Ungleichheiten in jeder Hinsicht überwunden werden können. Zum jetzigen Zeitpunkt befindet sich Venezuela, mit Ausnahme der revolutionären und sozialistischen Prozesse in Kuba, in einer Situation der Verwundbarkeit, in der nur das Volk das Volk retten kann. Die Antisystem-Welle, die im vergangenen Jahr von den progressiven Kräften Lateinamerikas angeführt wurde, hat dem Neoliberalismus nur dazu gedient, sich neu zu organisieren, indem er sich etwa in Argentinien mit einem sozialdemokratischen Triumph begnügte, Bolivien und Ecuador hingegen schwere Rückschläge in Kauf nehmen mussten. Und in Kolumbien und Brasilien geht die Offensive gegen Indigene und die freiwillig in Isolation lebenden Völker weiter.
Mein persönlicher Beitrag:
Es ist nicht meine Absicht, den Kontext der Welt zu analysieren. Allerdings bin ich überzeugt, dass die Welt der unipolaren Macht vorbei ist und kleinere Länder nun einen Unterschied machen können. Ich werde mit meiner bescheidenen Anstrengung dazu beitragen und versuchen, Kräfte aus dem Lokalen zu artikulieren und auf den Wiederaufbau des sozialen Gefüges, die Wiederherstellung der Völker und das Errichten eines plurinationalen Staates hinzuwirken.
„Die Pandemie hat fast alles, was wir tun auf eine dramatische Art und Weise verändert: wie wir arbeiten, wie wir mit unserer Gesundheit umgehen, wie wir unsere Kinder erziehen und wie wir uns um unsere Familienmitglieder kümmern“
Am selben Tag, an dem der Ausnahmezustand in Ecuador in Kraft getreten war, am 17. März 2020, erlebte die Kichwa-Gemeinschaft von Sarayaku im ecuadorianischen Regenwald eine Katastrophe, die sie unmittelbar in ihrer Existenz traf: Die Überschwemmung des Bobonaza-Flusses verwüstete ihre Hühner-, Fisch- und Viehzucht und machte hundert Familien innert Stunden obdachlos. Mirian Cisneros ist Präsidentin von Sarayaku und teilt an dieser Stelle ihre Sicht auf die mehrfachen Krisen, die ihre comunidad durchlebt.
„Die Pandemie hat fast alles, was wir tun, auf eine dramatische Art und Weise verändert: wie wir arbeiten, wie wir mit unserer Gesundheit umgehen, wie wir unsere Kinder erziehen und wie wir uns um unsere Familienmitglieder kümmern. Manche Dinge werden nie mehr so sein wie früher. In Sarayaku selbst erleben wir auf Grund der Überschwemmung von Mitte März eine doppelte Krise, die Sarayaku in einem anderen Licht hinterlassen wird. Als Indigene fragen wir uns, wie lange und wie streng wir die sozialen und kulturellen Einschränkungen in unserer Lebensweise aufrecht erhalten müssen. Wie doch ein Virus unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat. Es liegt an uns, wie wir mit den anstehenden Veränderungen umgehen und wie wir Verantwortung übernehmen und Bewusstsein schaffen.“
„Ich habe beschlossen, das reichhaltige Leben auf dem Land zu geniessen,
die Freiheit der Vögel zu betrachten und gleichzeitig
der magischen Symphonie all ihrer Lieder zu lauschen“
Andrés Felipe, Permakultor
– Nationalpark Tayrona, Kolumbien
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, deshalb habe ich beschlossen, das reichhaltige Leben auf dem Land zu geniessen, die Freiheit der Vögel zu betrachten und gleichzeitig der magischen Symphonie ihrer Lieder zu lauschen.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Ich bin offen für Vorschläge zu Permakultur-Projekten und offeriere Grundstücke von 1 bis 3 Hektaren Land.
Mein persönlicher Beitrag:
45 Hektar Land, derzeit in der Nähe des Schilfgürtels im Tayrona-Nationalpark. Auf einem einzigen Hektar wachsen mehr als dreissig verschiedene Kulturpflanzen.
„Durch die Einschränkung unserer Konsumkultur
möchte ich Bewusstsein für die Umwelt schaffen“
Karla Paola Morales Rubio, Marketing und Unternehmensführung
– Ambato, Ecuador
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, viel lieber will ich mich künftig von der Energie stärken lassen, die uns das Universum schenkt.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Die einfachen Dinge zu schätzen, die uns das Leben ermöglicht, und nicht zu glauben, dass es materielle Dinge sind, die uns glücklich machen.
Mein persönlicher Beitrag:
Durch die Einschränkung unserer Konsumkultur möchte ich Bewusstsein für die Umwelt schaffen.
„Ich schlage vor, dass unsere ideologischen, religiösen, wirtschaftlichen und physischen Grenzen lediglich als Erinnerungen an das ‚Vorher‘ weiterleben“
Luis Carlos Marrero Chasbar, Theologe
– Havanna, Kuba
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil dieses „Vorher“ gezeigt hat, wie zerbrechlich wir als Menschen in diesem bewohnten Kosmos sind. Das „Vorher“ hat Krankheiten, Pandemien, Egoismus, Konsumismus und Separatismus verursacht, die wir nicht weiter reproduzieren sollten. „Das Alte“ teilt uns in Klassen ein, macht uns zum Norden und Süden, zum oben und unten und nagelt uns fest. Ich möchte jedenfalls nicht in dieses frühere Leben zurückkehren. Ich lehne es kategorisch ab, in dieser alten Form zu fühlen und in ihr mit anderen in Beziehung zu treten. Ich möchte lediglich ein weiterer Teil dieser grossen Schöpfung sein: ein Baum, ein Wind, ein Meer, ein Berg. Und ich lade euch ein, darüber nachzudenken. Wir haben jetzt in unseren Herzen die Möglichkeit, uns zu verändern und das gemeinsame Haus in einen wahrhaft heiligen Raum des Zusammenlebens zu verwandeln.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Als erstes sollten wir bedenken, dass wir vor einer neuen Lebenschance stehen, denn das ist essentiell. Deshalb sollten wir eingehend darüber nachdenken, wer wir sind und was unsere Mission ist. Auch tun wir gut daran Strategien zu stärken, die auf Freundschaft, Solidarität, Kooperation und tausenden verschiedenen Beziehungsformen basieren. Als erstes sollten wir lernen, dass wir nicht das Zentrum des Universums, sondern ein Teil davon sind, und dass wir in einer Ordnung miteinander verflochten sind. Desweiteren schlage ich vor, dass unsere ideologischen, religiösen, wirtschaftlichen und physischen Grenzen lediglich als Erinnerungen an das „Vorher“ weiterleben. Wir leben in Zeiten, wo Alternativen gefragt sind und wo unsere Ureinwohner, Afros, Bauern, Frauen und Kinder zu unseren wahren Meistern werden sollten.
Mein persönlicher Beitrag:
Dieser kommt von überall wo ich gerade bin. Veränderung beginnt bei einem selbst und bei sich Zuhause. Egal wo wir gerade sind – im Klassenzimmer, beim Treffen mit Freunden, auf einer Party –, jeder Ort kann der genaue richtige Moment sein, um eine andere Art des Seins und Fühlens zu schaffen und jedes Projekt, jede Idee, jeden Traum, der die Würde des Menschen und jene der Schöpfung als Horizont hat, zu unterstützen. Ich setze darauf, diesen schönen chaquiñán (Weg auf Kiwcha), das gemeinsame Haus, weiterzugehen und die Menschen mit ihren Erfolgen und Misserfolgen zu berücksichtigen. Dies ist der Auftrag, den Gott mir gegeben hat, und ich versichere Ihnen, dass ich versuchen werde, ihn mit all meinen Kräften zu erfüllen.
„Wir sollten jene Wildpflanzenarten retten, die entgegen jeglichem Marktdesign irgendwo am Strassenrand wachsen und die wir böswillig Unkraut getauft haben“
Mariana Karina Acosta, Mutter, Agrarökologin, Erzieherin
– Concordia, Argentinien
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil die „Normalität“ vor der Pandemie Teil der Krise war. Und es war klar, dass diese „Normalität“ irgendwann zusammenbrechen würde. Letztlich war es ein Virus, das uns gezeigt hat, wie zerbrechlich wir als Lebewesen sind. Die nötige Mutation, um uns zu schützen, scheint hingegen nicht ganz so einfach, im Gegenteil: Wir sind in unserer kollektiven Immunität total geschwächt – eine Schwächung, die nicht zuletzt mit Faktoren wie dem Klimawandel zusammenhängt und Nebenwirkungen wie beispielsweise verseuchtes Wasser und verseuchte Lebensmittel mit sich bringen.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Wir sollten jene Wildpflanzenarten retten, die entgegen jeglichem Marktdesign irgendwo am Strassenrand wachsen und die wir böswillig Unkraut getauft haben. Dabei handelt es sich oft um frische, gesunde, nahrhafte und günstige Lebensmittel, die ganz in der Nähe von uns wachsen. Wir müssen die individuellen und familiären Produktionssysteme stärken und unser Konsumverhalten ändern. Denn dieses sorgt für die Verschmutzung lebenswichtiger Ressourcen wie Wasser, Boden und Luft und macht nicht nur uns krank, sondern auch die Umwelt.
Mein persönlicher Beitrag:
Alleine werde ich gar nichts erreichen. Vielmehr ist es an der Zeit, im Kollektiv zu denken. Wir sind seit einiger Zeit wie fleissige Ameisen daran, verloren gegangenes Wissen zu retten, und die Menschen dazu zu ermutigen, zur Natur und zum Ur-Wissen zurückzukehren und dadurch zu verstehen, dass wir ein Ganzes sind und als solches über die gleichen lebenswichtigen Ressourcen verfügen wie die anderen Wesen auf dem Planeten. Ich persönlich helfe mit, den Wert von Wildpflanzen zu entschlüsseln und aufzuzeigen, wie sie sich in konventionellen Präparaten verwenden lassen. Ich trage dazu bei, uns an das zu erinnern, was unsere Grossmütter einst gegessen haben – ein Wissen, das nach wie vor vorhanden ist, und dass sich daher nach wie vor retten lässt.
„Ich werde durch meinen Lebensstil weiterhin zeigen,
dass es möglich ist, einfacher zu leben“
Ernesto Hernández, Tonmeister
– Berlin, Deutschland
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil ich mir gar nicht mehr vorstellen kann, so zu leben wie vor der Pandemie.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Wir sollten uns unserem Verhalten und dessen Folgen bewusster werden, unsere Kodexe und Werte überprüfen, und zu einer Lebensweise finden, die den Planeten schützt.
Mein persönlicher Beitrag:
Ich werde durch meinen Lebensstil weiterhin zeigen, dass es möglich ist, einfacher und weniger konsumorientiert zu leben und damit glücklich zu sein. Ich werde weiterhin darauf verzichten, all den produzierten Müll zu kaufen, der ohnehin nutzlos ist und den wir eigentlich auch gar nicht brauchen. Ich werde weiterhin versuchen, so konsequent wie möglich dasselbe zu denken, zu sagen und zu sein.
„Als Journalistin versuche ich Alternativen aufzuzeigen,
um eine ökologische Revolution einzuleiten“
Milena Recio, Mutter und Journalistin
– Madrid, Spanien
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil … Nun, ich glaube, das Ende der Pandemie ist noch nicht genügend weit weg, um bereits darüber sprechen zu können. Die Probleme werden auch dann nicht vorüber sein, wenn ein entsprechender Impfstoff gefunden sein sollte. Es wird dauern bis in ärmeren Ländern, etwa in Afrika, eine universelle Inmunität geschaffen wird. Alleine aus diesem Grund wissen wir, dass es das Leben „wie vorher“ nicht mehr geben wird. Der Tod hat bereits zahlreiche Familien in Anspruch genommen, und die Angst vor dem unsichtbaren Feind ist in einem Grossteil von uns, die leben und nicht infiziert sind, ebenfalls vorhanden. Die Erfahrung der vergangenen Wochen wird uns dazu zwingen, vorsichtiger mit unserer Gesundheit umzugehen. Wahrscheinlich wird sich in einzelnen Gesellschaften nun endlich eine universelle Gesundheitsgrundversorgung durchsetzen – im Bewusstsein, dass das Fortbestehen der Menschheit auch von der Pandemie-Prävention abhängig ist und dass das persönliche Interesse mehr denn je den Interessen der Gemeinschaft unterliegt und das Gefühl von Sicherheit eng mit Solidarität zusammenhängt.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Zunächst müssen die Prioritäten neu geordnet werden: Wissenschaft, Forschung und Gesundheitssysteme müssen sowohl in der Politik als auch in der Struktur unserer Wirtschaft eine prominentere Rolle einnehmen. Zweitens müssen die wirtschaftlichen und politischen FührerInnen sowie die Zivilgesellschaft davon überzeugt werden, dass wir unseren Lebensraum zerstören, und dass es angesichts dieser Entwicklung unmöglich ist, weiterhin untätig zu bleiben. In Sachen Klima, Konservierung der Artenvielfalt sowie der Ausbeutung nicht erneuerbarer Ressourcen sind wir daran, Schwellen zu übertreten, bei denen es kein Zurück mehr gibt. All das wird einen enormen Tribut von uns verlangen. Wir sind nicht all zu weit von jenem Tag entfernt, an dem wir uns schuldig fühlen und schuldig sind, Kinder in eine Welt gesetzt zu haben, die nicht mehr bewohnbar ist. Dieses Coronavirus hat Fragen aufgeworfen, die sich darum drehen, wir wir unsere Gesellschaften organisieren und gleichzeitig die Gaben der Natur nutzen können.
Mein persönlicher Beitrag:
Als Mutter beginne ich bei der Erziehung meiner Tochter, die heute zehn Jahre alt ist. Sie erlebt ein Eingesperrtsein sowie globale Risiken, die sowohl meine Generation als auch andere, die noch am Leben sind, nicht kannten. Dies wird Spuren in ihrem emotionalen Gedächtnis hinterlassen, genauso wie in ihrer Biografie. Ich möchte, dass sie die Ursachen und Folgen kennt, sich ihrer bewusst ist und dass sie über die Möglichkeiten Bescheid weiss, um solche Szenarien in Zukunft vermeiden zu können. Als Journalistin versuche ich eine andere Form der Weltwahrnehmung zu dokumentieren und Alternativen aufzuzeigen, um eine ökologische Revolution einzuleiten. Persönlich bleibe ich Zuhause, ich kümmere mich um mich und um meine Lieben. Oder zumindest versuche ich das.
„Wir müssen uns zu soliden Persönlichkeiten entwickeln,
die sich an dem vor uns liegenden Kampf beteiligen können“
Darwin Reyes Solis, Philosophie-Professor
– Quito, Ecuador
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil eigentlich können wir gar nicht mehr zurück zum Leben vor Covid-19. Wir befinden uns in einer Krise und das ist die erste Tatsache, der wir uns bewusst werden sollten. Die Welt wird sich nicht verändern – sie hat sich bereits verändert. Wir befinden uns in sozialer Isolation und in Telearbeit. Die Regierung wird einen Teil unseres Lohns abzwacken, in unserem Volk sind Tausende gestorben und die hegemonialen Systeme spekulieren mit den Preisen der Rohstoffe, von denen unsere Staaten abhängig sind. Wir können das, was wir für die nächsten Jahre geplant hatten, nicht mehr umsetzen. Es sind unsichere Zeiten.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Wir müssen uns zu soliden Persönlichkeiten entwickeln, die dem System die Stirn bieten und sich an dem vor uns liegenden Kampf beteiligen können: solide Persönlichkeiten, Menschen mit einer selbstkritischen Perspektive, die fähig sind, Überzeugungen, Vorurteile und kulturell ererbte Gewohnheiten zu revidieren. Es liegt an uns, die menschlichen Systeme zu verändern, um demokratische Gesellschaften zu schaffen, die den Reichtum einer grossen Mehrheit zukommen lassen. Darüber hinaus brauchen wir Gemeinschaften, die sich in Krisen selbst wieder aufbauen und neue Formen menschlichen Erblühens hervorbringen können. Wir verstehen diese Form der Gemeinschaft als ein gemeinsames Band zwischen ihren Mitgliedern. Ein Band, das die Möglichkeit bietet, trotz und dank der grossen Unterschiede und Vielfalt, die sich im täglichen Leben manifestieren, Lebensprojekte zu verwirklichen.
Mein persönlicher Beitrag:
Dies ist keine individuelle Angelegenheit, sondern eine kollektive. Wir müssen stark sein, um dem System die Stirn zu bieten und in den Kampf um die Bildung von kleinen Gemeinschaften wie die Familie, die Nachbarschaft, die Freunde oder auch die Kirche, einzutreten. Zudem gibt es noch eine weitere Gemeinschaft, die wir nicht vergessen dürfen: den Staat. Diesem Kampf werden wir uns bald stellen müssen. Wir müssen den Staat wieder aufbauen, unabhängig davon, wo wir beginnen. Ja, eigentlich hat dieser Kampf bereits begonnen. Lasst uns überlegen, wie wir diesen Zustand ändern können, denn wir sind es, die diese Prozesse in die Wege leiten müssen. Beginnen wird der Kampf sicherlich auf der Strasse. Vorerst müssen wir uns aber um unsere eigenen Leben kümmern, denn wir brauchen einander lebend.
„Mein tierischer, wilder, spiritueller Beitrag
wird darin bestehen, mein noch ungeborenes Kind zu stillen“
Isabel Christina López Hamze, Theatrologin
– Havanna, Kuba
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil mir die Hektik auf den Strassen, der unruhige Alltag, die Odysseen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die Scheinheiligkeit des öffentlichen Lebens nicht gefallen. Das Leben vor Covid-19 drehte sich im Aussen statt im Innen. Ich habe während diesen Wochen der Quarantäne zu den einfachen Dingen des Lebens zurückgefunden: mein Zuhause, meine Familie. Dies hat mir erlaubt, Pläne zu schmieden, innezuhalten und über den Weg der Ameisen und jenen der Supernovas nachzudenken. Auch erinnerte ich mich an meine toten Grosseltern und widmete mich den Bewegungen des Babys in meinem Bauch. Für mich war es eine Zeit des inneren Friedens, der Introspektion, der Versöhnung mit der Natur, der Verbindung mit einer spirituellen Welt, die ich zuvor nur selten wahrnehmen konnte. Wenn die Pandemie vorüber ist, möchte ich jedenfalls nicht zurück zum alten Leben. Ich wünschte, das Ende der Pandemie würde uns die Möglichkeit geben, klüger zu werden, und einen Mittelweg zwischen dem Aussen und dem Innen zu finden.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19: Wir sollten uns dem Gleichgewicht zwischen Materiellem und Geistigem stärker bewusst werden. Ein Gleichgewicht, auf das sowohl wir als auch die Natur angewiesen sind. Ich schlage deshalb vor – unabhängig von den Technologien und den Fortschritten des vergangenen Jahrhunderts – an den Anfang zurückzugehen, also zum Beispiel wieder die Lebensmittel zu säen, die wir essen und wieder in Kontakt mit der Wildnis zu treten. Schliesslich ist sie nach wie vor unsere Umgebung und wir können durchaus liebevoll zu jenem tierischen Aspekt zurückkehren, der in uns weilt.
Mein persönlicher Beitrag:
Mein tierischer, wilder, spiritueller Beitrag wird darin bestehen, mein noch ungeborenes Kind zu stillen.
„Ich hoffe, dass dieser Reigen an Solidarität, der in diesen Wochen
zu beobachten war, zu einer Form der Organisation wird“
Santiago Rosero, Journalist und Koch
– Quito, Ecuador
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil das Raubtierhafte im Menschen enorm stark ist und sich unsere Beziehung zur Umwelt und zu den Tieren unbedingt ändern muss. Schliesslich waren wir es, die ihnen Leben und Ökosysteme weggenommen haben. Und dennoch gibt es Aspekte vor Ausbruch der Pandemie, die ich eigentlich gerne weiterhin geniessen möchte, etwa die Nähe zu den Menschen und die Möglichkeit körperlicher Zuwendung. Hinzu kommt das Teilen des öffentlichen Raums und eine direkte Beziehung zu unserem Umfeld. Auch die Bewegungsfreiheit möchte ich nicht missen sowie die Planung der nahen Zukunft ohne all zu grosse Ungewissheiten – letztlich alles Dinge, die uns als soziales Wesen ausmachen.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Ich hoffe, dass dieser Reigen an Solidarität, der in diesen Wochen zu beobachten war, zu einer Form der Organisation wird, ja am liebsten zu einem wesentlichen Merkmal einer neuen Bürgerkultur, die nicht nur in Notfällen zusammenhält, sondern Teil unserer täglichen Gewohnheiten wird – sowohl in Bezug auf unseren Konsum als auch in Beziehung zu anderen.
Mein persönlicher Beitrag:
Die aktuelle Gesundheitskrise steht ganz im Zeichen der Lebensmittelversorgung. Es geht um die täglichen Bedürfnisse in allen sozialen Schichten, einschliesslich der von der Regierung durchgeführten Notfallpolitik. Ich möchte meine Arbeit zur Rettung von weggeworfenen Lebensmitteln verstärken, sodass diese zu jenen Menschen kommen, die sie benötigen. Zudem bin ich derzeit daran, ein kulturell-gastronomisches Zentrum aufzubauen, das Raum lässt für Reflexionen, Experimente und Zusammenarbeit. Und klar, Lebensmittel werden im Fokus stehen.
„Die Situation hat uns gelehrt, dass die Vorstellung vom Individuum, das isoliert
von seinem Kontext lebt, ein Mythos ist. Wir können nur in Gemeinschaft leben“
Ximena Antillón, Psychologin, Feministin y Aktivistin
– Mexiko Stadt, Mexico
Ich will nicht zurück zum Alltag vor der Covid-19-Pandemie, weil die Pandemie uns einerseits die Absurdität unserer Gesellschaften vor Augen geführt hat, die so organisiert sind, dass sie Profite und nicht das Leben garantieren. Andererseits ist es dringend notwendig und auch möglich, sich zu ändern, angefangen beim Schutz der Rechte auf ein menschenwürdiges Leben. Die Situation hat uns gelehrt, dass die Vorstellung vom Individuum, das isoliert von seinem Kontext lebt, ein Mythos ist. Wir können nur in Gemeinschaft leben. Angesichts des Klimawandels ist dies dringend erforderlich.
Mein Vorschlag für das Leben nach Covid-19:
Ich halte es für sehr wichtig, dass wir beginnen, darüber zu sprechen, worin unsere strategischen Veränderungen bestehen und wie sie vorangetrieben werden können. Ein zentraler Aspekt besteht für mich darin, die Lehren von Völkern und Gruppen wahrzunehmen, die sich vor allem dank ihrer Organisation gegen Vertreibung und Gewalt zur Wehr setzen konnten.
Mein persönlicher Beitrag:
Auf der einen Seite müssen wir ein politisches Projekt aufbauen, welches das Leben in den Mittelpunkt stellt. Das wiederum bedeutet, dass wir die politische Vorstellungskraft durch kollektives Denken anregen müssen. Daher bin ich sehr daran interessiert, zuzuhören, zu lesen, zu lernen, mit anderen zu sprechen. Auf der anderen Seite ist es sehr wichtig, konkrete Dinge zu tun. Zum Beispiel die Beteiligung an der lokalen Wirtschaft, Netzwerke bilden, sowie organisatorische Prozesse zur Sicherstellung unserer Bedürfnisse aufbauen.