„Wir Frauen haben die Angst vor dem Staat verloren“

Luisa Lozano ist eine der zentralen Figuren der Indigenen-Bewegung in Ecuador. Im Gespräch erklärt die vierfache Mutter, wie es während des Landesstreiks vor vier Monaten zum Chaos rund ums Parlament gekommen war, wie sie mit der politischen Verfolgung umgeht und warum sich ihr Kampf für Gerechtigkeit nicht auf die Indigenen beschränkt.

3. Februar 2020, Quito, Ecuador – Im Oktober 2019 legten zehntausende von EcuadorianerInnen den Andenstaat lahm. Zwölf Tage lang streikten sie gegen die vom Internationalen Währungsfond (IWF) diktierte Entscheidung der Landesregierung, die Subventionen für Treibstoffe per sofort zu streichen und das am 1. Oktober beschlossene Dekret 883 wieder aufzuheben. Letztlich setzte sich die Bevölkerung durch und Präsident Lenin Moreno musste zurückkrebsen. Entscheidend für diesen Erfolg, der auch auf die Proteste in Chile, Bolivien und später Kolumbien ausstrahlte, war die Bewegung der indigenen Bevölkerung und insbesondere jene der Frauen.

Eine davon ist Luisa Lozano, eines der führenden Mitglieder der Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors, aus deren Kreis bis im Juni diesen Jahres einE möglicheR PräsidentschaftskandidatIn für die Wahlen 2021 präsentiert werden soll. Im Gespräch mit Gloria Muñoz Ramirez, Direktorin der digitalen Zeitschrift desinformemosnos.org aus Mexiko, sagt sie: „Unsere Lebensbedingungen hatten für den ecuadorianischen Staat noch nie Priorität. Wir haben weder Garantien für unsere Gesundheit, noch für die Gründung eines Unternehmens, und auch nicht für Bildung auf dem Land. Unsere Gemeinschaftsschulen wurden geschlossen und in den staatlichen Zentren, die unsere Gesundheit garantieren sollen, gibt es weder Medizin noch ÄrztInnen.“

Luisa Lozano stammt aus der Gemeinde Lagunas in Saraguro, ganz im Süden von Ecuador, und gehört zur comunidad der Kichwas. Warum die Frauen die HüterInnen des Territoriums sind, erklärt sie so: „Sie leben in Gemeinschaft und bewahren die Weisheit der indigenen Frauen. Gleichzeitig werden sie allerdings von den politischen und organisatorischen Prozessen ausgeschlossen und generell diskriminiert – und zwar aus dem einfachen Grund, weil sie indigene Frauen sind und keinen akademischen Abschluss haben.“

 

Luisa Lozano, inwiefern wird die Beteiligung von Frauen innerhalb der indigenen comunidades anerkannt und geschätzt?

Es gibt eine Grenze innerhalb der comunidades. Es existiert jedenfalls nicht so etwas wie ein Demokratie-Kodex, bei dem wir fünfzig-zu-fünfzig beteiligt werden. Dazu fehlen schlichtweg die Voraussetzungen. In einem gewissen Rahmen sind zwar Fortschritte erkennbar, doch weder der Staat noch die comunidades haben uns als Frauen wirklich anerkannt.

 

Auch nicht innerhalb der indigenen Bewegung oder der Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (CONAIE)?

Es ist ein ständiger Kampf und innerhalb unserer Organisation mussten wir sehr hart kämpfen, um dorthin zu kommen, wo wir heute stehen. Der Zentralrat der CONAIE besteht heute aus drei Frauen und sechs Männern. So viel haben wir inzwischen erreicht. Doch unser Ziel ist weiterhin fünfzig-fünfzig. Denn als pueblo indigena funktionieren wir komplementär, müssen also zwischen Frau und Mann ein Gleichgewicht herstellen. (…)

 

Hauptbild: Zentral während des zwölftägigen Landesstreiks in Ecuador: Luisa Lozano (Mitte) während einer Frauendemonstration in Quito am 12. Oktober 2019, begleitet von anderen indigenen Führerinnen (Alejandro Ramirez Anderson).