Zwei Frauen und das Erdöl

Wie der wichtigste Energieträger des 20. Jahrhunderts das Leben der Bäuerin Mariana im ecuadorianischen Amazonasgebiet und das der Reisefachfrau Beatrice aus Basel geprägt hat – Eine Geschichte in vier Kapiteln.

Prolog – Damit Beatrice reisen kann, muss  Mariana sterben

Wir sind soeben vom Treffen mit Mariana zurückgekehrt und dieser erste Satz , «Damit Beatrice reisen kann, muss  Mariana sterben», den ich in meinen Notizblock schreibe, bringt mich ins Grübeln. Kann ich diese Geschichte wirklich so beginnen? Ich setze mich auf die Veranda unserer Unterkunft, umgeben von Palmen, Lianen und Vögeln. Kollege Alejandro hat sich inzwischen hingelegt, seine Kopfschmerzen sind zu stark geworden. Mariana lebt etwas ausserhalb von Nueva Loja, am Eingang zum Amazonasgebiet, im Nordosten von Ecuador. Ihr Haus steht zurückgesetzt von der Hauptstrasse am Hang, nur etwa hundert Meter Luftlinie von einem Erdölbohrturm entfernt. Hier wird 24 Stunden am Tag Gas verbrannt. Und zwar seit 46 Jahren. Gleich dahinter steht eine Aufbereitungsanlage für Formationswasser, jenes Wasser, das mit dem Öl und Gas an die Oberfläche spritzt und hochgiftig ist.*Alejandro und ich haben die Gase heute eingeatmet. Beiden war es hinterher kotzübel. Die Kopfschmerzen des Fotografen halten nun schon seit Stunden an. Als ich ein paar Tage später Beatrice über Skype davon erzähle, kann sie es nicht fassen. Die 68-jährige Baslerin gehört zu jener Generation, die mit dem Aufstieg des Erdöls gross geworden ist. Kein anderer Energieträger hat das Leben der Babyboomer derart geprägt wie das schwarze Gold. Damals, als sie noch jünger war, dachte sie nicht viel darüber nach. Ein halbes Leben lang verkaufte sie Reisen rund um die Welt und hat selber alle fünf Kontinente kennengelernt. Heute, in Zeiten des Klimawandels, kann sie deswegen manchmal nicht einschlafen. Daher rührt auch mein Grübeln. Beatrice ist meine Mutter. (…) Hauptbild: Mariana versucht die Lunge des Planeten seit bald fünfzig Jahren gegen die Erdöl-Industrie zu verteidigen. Doch am Bohrturm vor ihrem Haus im ecuadorianischen Regenwald brennts bis heute. (Alejandro Ramírez Anderson)