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Ziviler Ungehorsam bringt Dinge ans Licht, die sonst vor sich hingären würden. Ein Plädoyer für jene Form des politischen Protests, der eine friedliche Gesellschaft erst möglich macht.  Vor knapp zwei Wochen hatte sich Aktivistin Elin Ersson ein Flugticket von Göteburg nach Istanbul gekauft, um die Ausschaffung eines Mannes nach Afghanistan zu verhindern. „In Afghanistan herrscht Krieg und der Mann wird möglicherweise getötet,“ sagte Ersson in die Kamera ihres Handys und streamte das Video live in den sozialen Netzwerken (siehe ganz unten). Die 21-jährige Stundentin aus Schweden blieb so lange in der Kabine stehen, bis die Polizei den Mann aus dem Flugzeug befördert hatte – und verliess dann ebenfalls die Maschine. Nur eine Woche später eine ähnliche Situation, dieses Mal im Flugzeug von Helsinki nach Berlin: Aino Pennanen, juristische Mitarbeiterin der grünen Fraktion Vihreät im finnischen Parlament war mit ihrer Familie auf dem Weg in die Ferien, als sie bemerkte, dass im hinteren Teil der Maschine eine Person zur Ausschaffung sitzt. Sie stand auf, filmte wie Ersson die Aktion, musste am Ende jedoch kapitulieren. Der Kapitän der staatlichen Finnair verlangte, dass die Polizei Pennanen aus dem Flugzeug bringt. Rückzug aus Selbstschutz Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Dieser Satz stammt von einem Theaterregisseur, dessen Bücher vom Staat verbrannt wurden und der auf Grund seiner politischen Haltung flüchten musste. Was Bertolt Brecht in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg wiederfuhr, dürfte Ersson und Pennanen nicht passieren. Doch wie alle Menschen, die sich in Zeiten des Umbruchs für Schwächere einsetzen – gerade wenn es um Menschen aus anderen Kulturkreisen geht – wurden auch sie angefeindet und beschimpft. Ersson, deren Video millionenfach aufgerufen wurde und in den Onlinemedien weltweit für Schlagzeilen sorgte, hatte sich kurz nach ihrer Aktion von Facebook, Twitter und Instagram zurückgezogen. Zwischenzeitlich und aus Selbstschutz. Rassismus und Aggression gegenüber Andersdenkenden gibt es auch auf Schwedisch. Dabei müsste gerade jener Teil der Gesellschaft dankbar für den Mut der beiden Frauen sein, deren Wahrnehmung durch Unsicherheit geprägt ist. Denn was Ersson und Pennanen taten, war nichts weiter, als auf Unrecht innerhalb eines Rechtsstaates hinzuweisen. Oder lässt sich die Ausschaffung eines Menschen in ein Kriegsgebiet irgendwie rechtfertigen? (…) Hauptbild: Still und standhaft: Ohne Worte lässt sich eine Demonstrantin in Baton Rouge/Louisina festnehmen. Sie war 2016 wegen der Tötung eines Afro-Amerikaners durch die US-Polizei auf die Strasse gegangen. (Jonathan Bachman, Reuters)  Weiterführende Informationen

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